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Gebieten sowohl die Verhältnisse, wie auch die Anschauungen
vielfach geändert haben‘.
Dass die russische Regierung sich zunächst mit dem all-
gemeinen Programme begnügte, das in dem Rundschreiben vom
30. Dez. 1898 enthalten war, lässt sich verstehen, wenn man
berücksichtigt, dass, wenn sie mit den während der Tagung der
Konferenz gemachten Vorschlägen in Bezug auf die Abrüstung
und das obligatorische Schiedsgerichtsverfahren schon vorher
hervorgetreten wäre, höchst wahrscheinlich verschiedene Re-
gierungen solche Bedenken erhoben hätten, dass der Zusammen-
tritt der Konferenz in Frage gestellt gewesen wäre.
Weniger begreiflich ist, dass die Regierungen die Einladung
zur Konferenz bedingungslos annahmen, ohne genau formulirte
Vorschläge von der russischen Regierung zu verlangen. Die
Regierungen der eingeladenen Staaten waren nämlich hiedurch
gehindert, sich über einzelne bestimmte Punkte vor dem Zu-
sammentritte der Konferenz zu verständigen, und ihren Vertretern
auf der Konferenz genaue Inssruktionen zu geben.
In Folge dessen nahmen auch die Verhandlungen der Kon-
ferenz einen viel längeren Zeitraum in Anspruch, als es ausser-
dem der Fall gewesen wäre, weil die Delegirten über alle
* Auf Veranlassung der holländischen Regierung war eine Schrift von
Dr. van DaEHnE van VARIcK, Actes et documents relatifs au programme de
la Conference de la Paix, La Haye 1899, veröffentlicht worden, die jedem
Mitgliede der Konferenz zugestellt wurde. Dieselbe enthält zunächst die
Friedensbotschaft des Czaren, die Cirkularnote des Grafen Murawiew und
die Seitens der holländischen Regierung an die übrigen Regierungen er-
gangene Einladung zur Konferenz. Im zweiten Theile der Schrift sind eine
Anzahl von Aktenstücken, Aeusserungen von Schriftstellern u. s. w. zusammen-
gestellt, die sich beziehen a) auf die Einschränkung der kriegerischen
Rüstungen und die Ausgaben für militärische Zwecke, b) auf das Kriegs-
recht (Genfer Konvention, Brüsseler Deklaration u.s. w.), c) die guten Dienste,
die Vermittelung und das fakultative Schiedsgerichtsverfahren. — Die Schrift
enthielt ja recht schätzbares Material; einen Ersatz für die fehlenden Vor-
schläge der russischen Regierung konnte sie aber begreiflicher Weise nicht
bieten.