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Spion nur betrachtet werden kann, wer heimlich oder unter
falschen Vorwänden (pretextes) Nachrichten in dem Öperations-
bezirke eines Kriegführenden sammelt oder zu sammeln sucht
in der Absicht, dieselben dem Gegner mitzutheilen. Dagegen
werden nicht als Spione behandelt: 1. Militärpersonen, die
nicht vermummt (non deguises) in den Öperationsbereich der
feindlichen Armee eingedrungen sind, um Kundschaften (infor-
mations) zu sammeln. 2. Militärs und Nicht-Militärs, welche
beauftragt, Depeschen, sei es ihrer eigenen, sei es der feind-
lichen Armee zuzustellen, ihren Auftrag offen ausführen. 3. Das
Gleiche gilt von Personen, die in Luftballons gesendet werden,
um Depeschen zu überbringen oder überhaupt die Verbindung
zwischen verschiedenen Theilen einer Armee oder eines Landes
aufrecht zu erhalten.
Der auf frischer That ergriffene Spion kann nicht ohne
vorausgegangenes Urtheil bestraft werden (Art. 30).
Ein Spion, der wieder zu seiner Armee zurückgekehrt ist,
später aber vom Feinde gefangen genommen wird, ist als Kriegs-
gefangener zu behandeln und kann für seine früheren Handlungen
als Spion nicht verantwortlich gemacht werden (Art. 31).
Als Parlamentär ist nach Art. 32 des dritten Kapitels zu
betrachten, wer von einem der Kriegführenden ermächtigt ist,
mit dem Anderen Verhandlungen anzuknüpfen und sich mit der
weissen Flagge präsentirt. Er hat Anspruch auf Unverletzlich-
keit ebenso wie der ihn begleitende Trompeter, Hornist oder
Trommler, Fahnenträger und Dolmetscher.
Der Befehlshaber, dem ein Parlamentär zugesendet worden
ist, ist nicht unter allen Umständen verpflichtet, denselben zu
empfangen. Er kann alle Massregeln ergreifen, um den Parlamentär
zu hindern, seine Mission zu Einziehungen von Erkundigungen
zu benützen. Im Falle eines vorgefallenen Missbrauchs kann
der Befehlshaber den Parlamentär eine Zeit lang zurückhalten
(Art. 33).