Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Es entziehen sich sonach alle Fälle einer schiedsrichterlichen 
Entscheidung, die formell als Interessenstreitigkeiten auftreten. 
Dabei ist zu beachten, dass sehr häufig hinter anscheinend gering- 
fügigen Rechtsstreitigkeiten unter Staaten sich recht tiefgehende 
Interessengegensätze verbergen. In allen solchen Fällen werden 
aber die streitenden Staaten selbst anscheinend geringfügige 
Rechtsstreitigkeiten einer schiedsrichterlichen Entscheidung weder 
unterwerfen wollen noch können?®. Dass in den Fällen, in denen 
wirklich oder vermeintlich die nationale Ehre oder Lebensinter- 
essen der betreffenden Staaten in Frage stehen, von einer schieds- 
richterlichen Entscheidung keine Rede sein kann, mag der Streit 
als Rechtsstreit oder Interessengegensatz auftreten, ist selbst- 
verständlich und ist auch von der russischen Regierung in ihrem 
Vorschlage anerkannt worden. 
Nach diesen Ausführungen: ist der Anwendungsbereich des 
schiedsgerichtlichen Verfahrens in Streitigkeiten unter Staaten 
ein beschränkter. Wenn trotzdem von den sog. Friedensfreunden 
fortwährend nach Anerkennung des Grundsatzes des obligatori- 
schen Schiedsverfahrens für internationale Streitigkeiten gestrebt 
wird, so liegt derartigen Bestrebungen in der Regel die unklare 
Vorstellung zu Grunde, dass es im Laufe der Zeit gelingen 
werde, die Staaten zur völkerrechtlichen Gemeinschaft, zu einem 
2° Ein recht schlagendes Beispiel dafür, dass Streitigkeiten, die äusser- 
lich als Rechtsstreitigkeiten auftreten, in Wirklichkeit tiefgehende Interessen- 
gegensätze sind, bietet der jüngste Transvaalkrieg. Die von England auf- 
geworfene Suzeränitätsfrage wäre wohl geeignet gewesen, durch ein Schieds- 
gericht entschieden zu werden. In Wirklichkeit handelte es sich aber gar 
nicht um diese Rechtsfrage, sondern darum, ob England die Alleinherrschaft 
in Südafrika zustehen soll. Desshalb dachte die englische Regierung gar 
nicht daran, zur Entscheidung des Streites mit Transvaal ein Schieds- 
gericht zu verlangen. Aber auch das englische Volk wollte keine Entschei- 
dung durch einen Schiedsspruch, sondern eine Niederwerfung Transvaals 
durch Gewalt, ein Beweis, dass nicht blos die Regierungen kriegerisch ge- 
sinnt sind, wie die Friedensfreunde stets behaupten, sondern dass auch den 
Völkern die Kriegslust im Biute steckt.
	        
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