Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Weltbruderstaate mit einem ständigen Weltbundesgerichte zu 
vereinigen. 
Im Zusammenhang mit dieser Vorstellung begegnet man mit- 
unter dem Gredankengang, dass, wie am Schlusse des Mittelalters 
die gewaltsame Selbsthilfe und das Fehderecht unter den Rittern, 
Vasallen, Grundherrschaften, Städten u. s. w. allmälig beseitigt 
wurde, und die Austragung der Streitigkeiten im Wege gewalt- 
samer Selbsthilfe der Entscheidung durch von der Obrigkeit be- 
stellte Gerichte Platz machte, es auch die Kulturentwickelung mit 
sich bringen werde, dass an die Stelle gewaltsamer Austragung 
internationaler Streitigkeiten die Entscheidung durch gerichtliche 
Instanzen tritt. So bestechend auf den ersten Blick dieser Ge- 
danke auch erscheinen mag, so beruht er doch auf einer petitio 
principi, daher auf einem falschen Ausgangspunkte. Das Fehde- 
recht konnte desshalb beseitigt werden, weil die im Besitze des- 
selben Befindlichen, bereits einer höheren Gewalt, der Gewalt 
der Leehensherren, bezw. der Staatsgewalt untergeben waren. Es 
bedurfte daher nur der Erstarkung dieser Gewalt, um das Fehde- 
recht und die gewaltsame Selbsthilfe zu beseitigen. Die gegen- 
wärtig die völkerrechtliche Gemeinschaft bildenden Staaten sind 
aber einer höheren Gewalt nicht unterworfen, und es ist eben die 
Frage, ob es jemals gelingen wird, die jetzt souveränen Staaten 
unter die höhere Autorität einer Weltbundesgewalt zu beugen. 
Jedenfalls geht es nicht an, von der Entwickelung, die sich inner- 
halb der jetzt bestehenden (nationalen) Staaten am Ende des 
Mittelalters vollzogen hat, ohne Weiteres auf die viel grossartigeren 
und verwickelteren Verhältnisse der WVölkerrechtsgemeinschaft 
Schlüsse zu ziehen. 
Wenn es übrigens selbst gelingen sollte, die jetzt souveränen 
Staaten in einer Art Staatenbund oder Bundesstaat zu ver- 
einigen, so wäre damit noch lange nicht jede gewaltsame Selbst- 
hilfe unter denselben ausgeschlossen. Oft genug hat es unter 
den Mitgliedern von Bundesstaaten oder Staatenbünden Kriege
	        
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