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Die zur Zeit suspendirten Vorschriften der preussi-
schen Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850.
Von
WALTER FRORMANN, Kiel.
Die thatsächlichen Verhältnisse, welche das Entstehen der
preussischen Verfassungsurkunde beeinflussten, haben es mit sich
gebracht, dass diese nicht in allen Beziehungen den Erfordernissen
genügt, welche man vom technischen Standpunkt der Gesetz-
gebungskunst aus an ein Gesetz, zumal an das Grundgesetz eines
Staates, zu stellen geneigt ist. Insbesondere muss bedenklich
erscheinen, dass die Fortbildung des ausserhalb der Verfassungs-
urkunde im Wege der einfachen (Gesetzgebung zu regelnden
Stoffes nicht gleichen Schritt zu halten vermochte mit der Fort-
bildung der durch die Verfassungsurkunde selbst geregelten
Fragen. Mit dem Erlasse der Verfassungsurkunde gelangte daher
der eine Theil des preussischen Rechtes auf eine höhere Ent-
wicklungsstufe als der andere, und beide verloren in Folge dessen
ihren unerlässlichen gegenseitigen Zusammenhang. Man fühlte
diesen Mangel sehr wohl und suchte ihm durch eine Fülle von
gesetzgeberischen Verheissungen, welche man in die Verfassungs-
urkunde aufnalım, seine Schärfe zu nehmen. Aber der Werth
solcher Verheissungen konnte nur ein bedingter sein, da er ganz
von der Bereitwilligkeit abhing, mit welcher sich die jeweilige