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Regierung der Erfüllung dieser Verheissungen zuneigen würde.
Der Erfolg hat gezeigt, dass ihr Werth thatsächlich nicht hoch
war; denn zu einem nicht geringen Theile sind sie bis auf den
heutigen Tag unerfüllt geblieben, einzelne können gar in Folge
der Umgestaltung der thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht
mehr erfüllt werden (vgl. Art. 72 Schlusssatz und Art. 117).
Wohl in dem unbestimmten Gefühle, dass ein blosses gesetz-
geberisches Versprechen doch einen gar zu geringen realen Werth
habe, ging man stellenweise weiter und nahm in die Verfassungs-
urkunde selbst bestimmte Leitsätze auf, welche für die künftige
gesetzliche Regelung der bis zum Erlass der Verfassungsurkunde
durch die Gesetzgebung nicht mehr zu bewältigenden Materien
massgebend sein sollten, ohne dass man indess diese Leitsätze
vor der planmässigen und vollständigen Durcharbeitung dieser
Materien zur praktischen Anwendung bringen wollte oder konnte.
Dies geschah insbesondere hinsichtlich des Schul- und Unterrichts-
wesens, der Ministerverantwortlichkeit, der Wahlen zum Ab-
geordnetenhause, sowie der Vertretung und Verwaltung der Ge-
meinden, Kreise, Bezirke und Provinzen. Erheblichen Werth
haben indess auch diese — durch besondere Spezialisirung aus-
gezeichneten — gesetzgeberischen Verheissungen bisher nicht er-
wiesen. Den Art. 105, welcher Grundsätze für die gesetzliche
Regelung der Vertretung und Verwaltung der Gemeinden u.s. w.
aufgestellt hatte, beseitigte man schon sehr bald aus der Ver-
fassungsurkunde, in der offenbaren Erkenntniss, dass seine Auf-
nahme von vornherein ein übereilter Schritt gewesen sei. Ein
solches Radikalmittel wirkte zwar am sichersten, war aber doch
in weiterem Umfange nicht wohl anwendbar; es hätte sonst
den Erfolg gehabt, dass die mit so grosser Mühe hergestellte
Verfassung zum erheblichen Theile geradezu wieder aufgehoben
wäre, Darum beliess man die Leitsätze für die Regelung des
Schul- und Unterrichtswesens, der Ministerverantwortlichkeit und
der Wahlen zum Abgeordnetenhause ruhig in der Verfassungs-