Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Regierung der Erfüllung dieser Verheissungen zuneigen würde. 
Der Erfolg hat gezeigt, dass ihr Werth thatsächlich nicht hoch 
war; denn zu einem nicht geringen Theile sind sie bis auf den 
heutigen Tag unerfüllt geblieben, einzelne können gar in Folge 
der Umgestaltung der thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht 
mehr erfüllt werden (vgl. Art. 72 Schlusssatz und Art. 117). 
Wohl in dem unbestimmten Gefühle, dass ein blosses gesetz- 
geberisches Versprechen doch einen gar zu geringen realen Werth 
habe, ging man stellenweise weiter und nahm in die Verfassungs- 
urkunde selbst bestimmte Leitsätze auf, welche für die künftige 
gesetzliche Regelung der bis zum Erlass der Verfassungsurkunde 
durch die Gesetzgebung nicht mehr zu bewältigenden Materien 
massgebend sein sollten, ohne dass man indess diese Leitsätze 
vor der planmässigen und vollständigen Durcharbeitung dieser 
Materien zur praktischen Anwendung bringen wollte oder konnte. 
Dies geschah insbesondere hinsichtlich des Schul- und Unterrichts- 
wesens, der Ministerverantwortlichkeit, der Wahlen zum Ab- 
geordnetenhause, sowie der Vertretung und Verwaltung der Ge- 
meinden, Kreise, Bezirke und Provinzen. Erheblichen Werth 
haben indess auch diese — durch besondere Spezialisirung aus- 
gezeichneten — gesetzgeberischen Verheissungen bisher nicht er- 
wiesen. Den Art. 105, welcher Grundsätze für die gesetzliche 
Regelung der Vertretung und Verwaltung der Gemeinden u.s. w. 
aufgestellt hatte, beseitigte man schon sehr bald aus der Ver- 
fassungsurkunde, in der offenbaren Erkenntniss, dass seine Auf- 
nahme von vornherein ein übereilter Schritt gewesen sei. Ein 
solches Radikalmittel wirkte zwar am sichersten, war aber doch 
in weiterem Umfange nicht wohl anwendbar; es hätte sonst 
den Erfolg gehabt, dass die mit so grosser Mühe hergestellte 
Verfassung zum erheblichen Theile geradezu wieder aufgehoben 
wäre, Darum beliess man die Leitsätze für die Regelung des 
Schul- und Unterrichtswesens, der Ministerverantwortlichkeit und 
der Wahlen zum Abgeordnetenhause ruhig in der Verfassungs-
	        
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