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urkunde, dachte aber nicht ernstlich daran, sie durch Erlass der
ihre praktische Anwendbarkeit bedingenden organischen Gesetze
in Wirksamkeit zu bringen.
So ist es gekommen, dass diese drei Gruppen von Ver-
fassungssätzen von Anbeginn an bis auf den heutigen Tag und
vorläufig: noch für eine unabsehbare Zukunft in ihrer Geltung
suspendirt sind. Der Grund und der Umfang ihrer Suspension
bilden den Gegenstand der folgenden Erörterung. Wenn auch
im Allgemeinen neuerdings die Ansichten hierüber dem prakti-
schen Ergebnisse nach in den Hauptpunkten wenigstens nicht
mehr sehr weit auseinandergehen, so bietet doch eine Gegenüber-
stellung der drei Gruppen einiges Interesse, da jede Gruppe den
anderen gegenüber ihr eigenthümliche Züge aufweist und auch im
Einzelnen die bisher aufgestellten Ansichten zu allerlei Bedenken
Anlass geben.
I. Die erste Gruppe umfasst die Vorschriften der Ver-
fassungsurkunde über das Schul- und Unterrichtswesen, d. h. die
Art. 20—25. An ihrer Spitze steht der Grundsatz des Art. 20:
„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“
Die Art. 21—25 bringen eine Reihe weiterer — mehr oder
minder spezieller — Leitsätze für das Schul- und Unterrichts-
wesen; an sie schliesst sich Art. 26 mit der Verheissung:
„Ein besonderes Gesetz regelt das ganze Unterrichtswesen*,
und mit Bezug hierauf verordnet Art. 112:
„Bis zum Erlass des im Art. 26 vorgesehenen Gesetzes
bewendet es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens
bei den jetzt geltenden gesetzlichen Bestimmungen.“
Das in Art. 26 verheissene „besondere Gesetz“ über „das
ganze Unterrichtswesen“ ist bisher nicht ergangen; wohl aber sind
eine Reihe von Spezialgesetzen auf diesem Gebiete erlassen, welche
zum Theil die durch die Art. 20—25 Verf.-Urk. geregelten Fragen
unmittelbar berühren, insbesondere ist das Gesetz, betr. die Be-
aufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens, vom 11. März