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mit der Verordnung vom 30. Mai 1849 decken, — nicht suspen-
dirt, soweit sie, ohne sich mit dieser zu decken, mit ihr vereinigen
lassen. Dies ist von praktischer Bedeutung selbst da, wo Ver-
fassungsurkunde und Verordnung die gleichen Vorschriften ent-
halten. Denn wenn auch die Verordnung vom 30. Mai 1849
durch Art. 115 Verf.-Urk. in Kraft erhalten ist, so ist sie doch
nicht etwa hierdurch Bestandtheil der Verfassungsurkunde ge-
worden; zu ihrer Abänderung bedarf es daher nicht der für
Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Formen. Soweit aber
die Bestimmungen der Verordnung in der Verfassungsurkunde
selbst Platz gefunden haben, ist ihnen formelle Verfassungskraft
verliehen; insoweit können sie daher nur im Wege der Verfassungs-
änderung umgestaltet oder beseitigt werden.
Bezüglich des Art. 71 Verf.-Urk. ist die Sachlage durch die
beiden Gesetze, betr. Aenderung des Wahlverfahrens, vom 24. Juni
1891 und 29. Juni 1893 noch mehr verwickelt worden. Das
Gesetz vom 24. Juni 1891 bestimmte in & 2:
„Bis zum Erlasse des Wahlgesetzes werden die Bestim-
mungen der Art. 71 u. 115 Verf.-Urk., soweit sie den vor-
stehenden Bestimmungen (eben des Gesetzes vom 24. Juni 1891)
entgegenstehen, ausser Kraft gesetzt.“
Das Gesetz vom 29. Juni 1893 hat dann zwar in seinem
86 das Gesetz vom 24. Juni 1891 formell aufgehoben, aber
mit denselben Worten, wie dessen & 2 sie enthielt, in seinem
8 7 die Art. 71 u. 115 Verf.-Urk., soweit sie ihm selbst, dem
Gesetze vom 29. Juni 1893, entgegenstehen, wiederum bis zum
Erlasse des Wahlgesetzes ausser Kraft gesetzt.
Um im Einzelnen festzustellen, inwieweit die Art. 70—72
u. 74 Verf.-Urk. zur Zeit suspendirt sind, bedarf es also einer
Prüfung dahin, inwieweit ihre Vorschriften der Verordnung vom
30. Mai 1849 widersprechen, bezüglich des Art. 71 einer ferneren
Prüfung dahin, inwieweit sein Inhalt dem Gesetz vom 29. Juni
1893 widerspricht. Diese Prüfung durch eine Gegenüberstellung
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