— 238 —
der entsprechenden Bestimmungen der Verfassungsurkunde, der
Verordnung vom 30. Mai 1849 und des Gesetzes vom 29. Juni
1893 durchzuführen, ist hier nicht der Ort; es kann um so eher
davon abgesehen werden, da sie keinerlei Schwierigkeit bietet,
das Resultat sich vielmehr überall durch blossen Vergleich der
entsprechenden Bestimmungen von selbst ergiebt. Es mag nur
festgestellt werden, dass schon jetzt unbeschränkt gelten: Art. 70
Abs. 2, Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 u. 8, Art. 72, Art. 74
Abs. 2; dass ferner mit nur geringer Modifikation gelten: Art. 71
Abs. 2 u. 6, Art. 74 Abs. 1; dass endlich als völlig suspendirt
zu betrachten sind: Art. 70 Abs. 1, Art. 71 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 2—5.
III. Die dritte Gruppe der zur Zeit suspendirten Verfassungs-
vorschriften enthält Bestimmungen über die Ministerverantwort-
lichkeit: nach Art. 44 sind die Minister des Königs verantwort-
lich, und zwar übernehmen sie die Verantwortlichkeit durch ihre,
die Gültigkeit der kgl. Regierungsakte bedingende Gegenzeich-
nung; — Art. 61 Abs. 1 Satz 1 ermöglicht es, die Minister
durch Beschluss einer Kammer wegen der Verbrechen der Ver-
fassungsverletzung, der Bestechung und des Verraths anzuklagen !®;
— zufolge Art. 49 Abs. 2 kann der König sein Recht der Be-
gnadigung und Strafmilderung zu Gunsten eines wegen seiner
Amtshandlungen verurtheilten Ministers nur auf Antrag derjenigen
Kammer ausüben, von welcher die Anklage ausgegangen ist; —
Art. 61 Abs. 2 endlich behält die näheren Bestimmungen über
0° Art. 61 Abs. 1 Satz 3: „So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe
bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke (Entscheidung über eine Minister-
anklage) zusammen“, ist durch die im Jahre 1852 erfolgte Vereinigung des
damaligen Obertribunals und des Rheinischen Revisions- und Kassationshofes
obsolet geworden. — Art. 61 Abs. 1 Satz 2: „Ueber solche (Minister-)An-
klage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten
Senaten“, ist gleichfalls hinfällig geworden, da es zufolge der Reichsjustiz-
gesetzgebung einen eigentlichen obersten Gerichtshof der Monarchie nicht
mehr giebt.