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die Fälle der Ministerverantwortlichkeit, über das Verfahren und
über die Strafen einem besonderen Gesetze vor, und dies ist
bis auf den heutigen Tag noch nicht ergangen.
Die Suspension der drei erstgenannten Verfassungssätze, in
Zeiten politischer Erregung einst Gegenstand lebhaften Streites,
ist jetzt allgemein anerkannt. Im auffallenden Gegensatz zu den
beiden vorigen Gruppen ergiebt sich die Suspension hier nicht
aus einer ausdrücklich auf sie gerichteten Verfassungsbestimmung,
sondern erst mittelbar aus dem Zusammenhang der Vorschriften
über die Ministerverantwortlichkeit, nämlich aus der Erwägung,
dass die Vorschriften der Art. 44, 49 Abs. 2 und 61 Abs. 1
Satz 1 ohne das in Art. 61 Abs. 2 verheissene Spezialgesetz
praktisch undurchführbar sind:
unter der in Art. 44 erwähnten Verantwortlichkeit der
Minister ist, wie daraus erhellt, dass sie erst durch die Gegen-
zeichnung übernommen wird, nicht eine moralische oder civil-
rechtliche zu verstehen, sondern eine besondere, dem Landtage
gegenüber wirkende, — eine solche aber ist solange gegenstands-
los, als ihre Fälle und Folgen nicht rechtlich geregelt sind;
ein auf Grund des Art. 61 Abs. 1 Satz 1 ergehender Kammer-
beschluss, einen Minister wegen eines der daselbst bezeichneten
Verbrechen anzuklagen, wäre sinnlos, solange in Ermangelung
einschlägiger Rechtsnormen weder ein weiteres Verfahren statt-
finden noch eine Strafe erkannt werden könnte;
das Recht der Begnadigung und Strafmilderung dem Könige
zu beschränken, wie es Art. 49 Abs. 2 beabsichtigt, hat nicht
eher irgendwelchen Sinn, als bis überhaupt eine Strafe erkannt
zu werden vermag, deren Erlass oder Milderung in Frage kommen
könnte. Früher wurde zwar von verschiedenen Seiten behauptet,
eine Ministeranklage aus Art. 61 Abs. 1 Satz 1 könne auch ohne
das daselbst in Abs. 2 vorgesehene Spezialgesetz unter ergänzen-
der Heranziehung der Gesetze über das Kriminal- oder Dis-
ziplinarverfahren vor den gewöhnlichen Gerichten durchgeführt