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werden, und SCHWARTZ!! behauptet noch jetzt die Möglichkeit,
für das Verfahren die Vorschriften des Disziplinargesetzes für
die nichtrichterlichen Beamten und subsidiär die der Reichs-
strafprozessordnung heranzuziehen; doch muss eine Heranziehung
solcher Gesetze ohne ausdrückliche gesetzgeberische Ermächti-
gung für schlechthin unzulässig erklärt werden, weil dieselben
auf das von dem gewöhnlichen Kriminal- oder Disziplinarverfahren
durchaus abweichende Verfahren bei einer Ministeranklage weder
berechnet noch dafür geeignet sind!? und weil der von dem
Gesetzgeber ausdrücklich gemachte Vorbehalt, das Verfahren bei
Ministeranklagen in einem besonderen Gesetze zu regeln, gar
keinen Zweck gehabt hätte, wenn die analoge Anwendung anderer
Gesetze seinem Sinn entsprochen hätte. — Auf die Thatsache,
dass im Gegensatz zu den beiden oben behandelten Fällen die
Suspension nicht ausdrücklich in der Verfassungsurkunde aus-
gesprochen ist, darf für die gegentheilige Ansicht kein Gewicht
gelegt werden. Denn über das Schul- und Uhnterrichtswesen
sowie über die Wahlen zum Abgeordnetenhause bestanden schon
vor Erlass der Verfassungsurkunde gesetzliche Normen und diese
wären nach dem Grundsatz: „lex posterior derogat priori“, mit
der Emanation der Verfassung ausser Kraft getreten, da diese
Vorschriften über beide Materien enthielt; weil aber die Be-
stimmungen der Verfassung über das Schul- und Unterrichts-
wesen und die Wahlen zum Abgeordnetenhause vor Erlass der
erst für spätere Zeit zu erwartenden Spezialgesetze nicht zu
voller Geltung kommen konnten, so wäre mangels der ausdrück-
lichen Anordnung der Suspension auf beiden Gebieten eine
empfindliche Lücke eingetreten. Anders lag die Sache bezüglich
der Ministerverantwortlichkeit, ein dem preussischen Rechte bis
zur Emanation der Verfassungsurkunde unbekanntes Institut;
11 A, a. O0. 8. 192£.
12 Vgl. v. Rönne, Staatsr. d. preuss. Monarchie, 4, Aufl., Bd. II S. 356
Anm. 1; Souutze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts Bd. II S. 692.