Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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werden, und SCHWARTZ!! behauptet noch jetzt die Möglichkeit, 
für das Verfahren die Vorschriften des Disziplinargesetzes für 
die nichtrichterlichen Beamten und subsidiär die der Reichs- 
strafprozessordnung heranzuziehen; doch muss eine Heranziehung 
solcher Gesetze ohne ausdrückliche gesetzgeberische Ermächti- 
gung für schlechthin unzulässig erklärt werden, weil dieselben 
auf das von dem gewöhnlichen Kriminal- oder Disziplinarverfahren 
durchaus abweichende Verfahren bei einer Ministeranklage weder 
berechnet noch dafür geeignet sind!? und weil der von dem 
Gesetzgeber ausdrücklich gemachte Vorbehalt, das Verfahren bei 
Ministeranklagen in einem besonderen Gesetze zu regeln, gar 
keinen Zweck gehabt hätte, wenn die analoge Anwendung anderer 
Gesetze seinem Sinn entsprochen hätte. — Auf die Thatsache, 
dass im Gegensatz zu den beiden oben behandelten Fällen die 
Suspension nicht ausdrücklich in der Verfassungsurkunde aus- 
gesprochen ist, darf für die gegentheilige Ansicht kein Gewicht 
gelegt werden. Denn über das Schul- und Uhnterrichtswesen 
sowie über die Wahlen zum Abgeordnetenhause bestanden schon 
vor Erlass der Verfassungsurkunde gesetzliche Normen und diese 
wären nach dem Grundsatz: „lex posterior derogat priori“, mit 
der Emanation der Verfassung ausser Kraft getreten, da diese 
Vorschriften über beide Materien enthielt; weil aber die Be- 
stimmungen der Verfassung über das Schul- und Unterrichts- 
wesen und die Wahlen zum Abgeordnetenhause vor Erlass der 
erst für spätere Zeit zu erwartenden Spezialgesetze nicht zu 
voller Geltung kommen konnten, so wäre mangels der ausdrück- 
lichen Anordnung der Suspension auf beiden Gebieten eine 
empfindliche Lücke eingetreten. Anders lag die Sache bezüglich 
der Ministerverantwortlichkeit, ein dem preussischen Rechte bis 
zur Emanation der Verfassungsurkunde unbekanntes Institut; 
11 A, a. O0. 8. 192£. 
12 Vgl. v. Rönne, Staatsr. d. preuss. Monarchie, 4, Aufl., Bd. II S. 356 
Anm. 1; Souutze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts Bd. II S. 692.
	        
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