Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Die I. Kammer wird zusammengesetzt aus Mit- 
gliedern, welche der König mit erblicher Berechti- 
gung oder auf Lebenszeit beruft.“ 
Dieses Gesetz aber ist in der Form und mit der Kraft einer 
Verfassungsänderung ergangen; sein Art. 1 ist ausdrücklich zum 
Bestandtheil der Verfassungsurkunde erklärt worden, und damit 
sind alle ihm entgegenstehenden Vorschriften der Verfassungs- 
urkunde endgültig entkräftet, nicht nur suspendirt worden. 
2, Ferner ist wiederholt! behauptet worden, Art. 87 Abs. 1 
Verf.-Urk. sei, insoweit er den König berechtige, sein Recht, 
die Richter zu ernennen, anderweit zu delegiren, durch & 7 des 
preuss. Ausführungsgesetzes zum deutschen Gerichtsverfassungs- 
gesetze suspendirt worden. Art. 87 Abs. 1 Verf.-Urk. lautet: 
„Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen 
auf ihre Lebenszeit ernannt.“ 
Dagegen bestimmt $ 7 Ausf.-G. z. Ger.-V.-G.: 
„Die Richter, einschliesslich der Handelsrichter, werden 
vom Könige ernannt.“ 
Bei der Berathung des preuss. Ausführungsgesetzes ist man 
sich des Unterschiedes beider Bestimmungen sehr wohl bewusst 
gewesen!5. Die Regierung selbst hatte sich anfänglich entschieden 
dahin ausgesprochen, dass $ 7 Ausf.-G. in seiner jetzigen Fassung 
eine Aenderung des Art. 87 Verf.-Urk. darstelle, und einer 
solchen Aenderung widerstrebt. Im ferneren Verlaufe der Ver- 
handlungen kam sie aber von ihrem Widerspruch zurück, was 
zur Folge hatte, dass $ 7 cit. Gesetz wurde, ohne dass man die 
Form der Verfassungsänderung beobachtet hätte. Man gab den 
Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen zu, wollte aber 
einen Widerspruch zwischen ihnen nicht anerkennen, da nach 
der Verfassungsurkunde beides zulässig wäre, sowohl dass alle 
  
14 Souwartz a. a. O. S. 250; Arnpr, Verf.-Urk., 3. Aufl. 1894, S. 145. 
!5 Die gesammten Materialien des preuss. Ausführungsgesetzes zum 
deutschen Gerichtsverfassungsgesetze, Berlin 1878, S.142, 249ff., 467 ff., 536 ff.
	        
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