— 13 —
Die I. Kammer wird zusammengesetzt aus Mit-
gliedern, welche der König mit erblicher Berechti-
gung oder auf Lebenszeit beruft.“
Dieses Gesetz aber ist in der Form und mit der Kraft einer
Verfassungsänderung ergangen; sein Art. 1 ist ausdrücklich zum
Bestandtheil der Verfassungsurkunde erklärt worden, und damit
sind alle ihm entgegenstehenden Vorschriften der Verfassungs-
urkunde endgültig entkräftet, nicht nur suspendirt worden.
2, Ferner ist wiederholt! behauptet worden, Art. 87 Abs. 1
Verf.-Urk. sei, insoweit er den König berechtige, sein Recht,
die Richter zu ernennen, anderweit zu delegiren, durch & 7 des
preuss. Ausführungsgesetzes zum deutschen Gerichtsverfassungs-
gesetze suspendirt worden. Art. 87 Abs. 1 Verf.-Urk. lautet:
„Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen
auf ihre Lebenszeit ernannt.“
Dagegen bestimmt $ 7 Ausf.-G. z. Ger.-V.-G.:
„Die Richter, einschliesslich der Handelsrichter, werden
vom Könige ernannt.“
Bei der Berathung des preuss. Ausführungsgesetzes ist man
sich des Unterschiedes beider Bestimmungen sehr wohl bewusst
gewesen!5. Die Regierung selbst hatte sich anfänglich entschieden
dahin ausgesprochen, dass $ 7 Ausf.-G. in seiner jetzigen Fassung
eine Aenderung des Art. 87 Verf.-Urk. darstelle, und einer
solchen Aenderung widerstrebt. Im ferneren Verlaufe der Ver-
handlungen kam sie aber von ihrem Widerspruch zurück, was
zur Folge hatte, dass $ 7 cit. Gesetz wurde, ohne dass man die
Form der Verfassungsänderung beobachtet hätte. Man gab den
Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen zu, wollte aber
einen Widerspruch zwischen ihnen nicht anerkennen, da nach
der Verfassungsurkunde beides zulässig wäre, sowohl dass alle
14 Souwartz a. a. O. S. 250; Arnpr, Verf.-Urk., 3. Aufl. 1894, S. 145.
!5 Die gesammten Materialien des preuss. Ausführungsgesetzes zum
deutschen Gerichtsverfassungsgesetze, Berlin 1878, S.142, 249ff., 467 ff., 536 ff.