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Durch die Beschränkung auf die im $ 23 enthaltenen Ver-
botsfälle hat sich das Reichsgesetz vom 9. Juni 1897 in dem
positiv rechtlich erreichbaren Umfang zum Prinzip der Aus-
wanderungsfreiheit bekannt, wenn auch sicherlich nicht be-
hauptet werden kann, dass es die Materie der Auswanderung an
dieser Stelle erschöpfend zu regeln bestimmt war. Immerhin
zeigt sich der der Verkehrsfreiheit günstigere Zug des neuen
Gesetzes am deutlichsten durch die Vergleichung seiner Vor-
schriften mit den Anordnungen des Entwurfes vom Jahre 1892.
Dieser enthielt im $ 21 als allgemeine Bestimmung über die Aus-
wanderung:
„Wer aus dem Reichsgebiete auswandern will, hat hier-
von der Ortspolizeibehörde seines Wohnsitzes oder, in Er-
mangelung eines solchen, derjenigen seines gewöhnlichen Auf-
enthaltsortes für sich und die ihn begleitenden Familienangehö-
rigen Anzeige zu machen. Die Anzeige hat den voraussichtlichen
Zeitpunkt der Auswanderung zu enthalten.
Die Ortspolizeibehörde hat über die bevorstehende Aus-
wanderung eine Öffentliche Bekanntmachung zu erlassen. Nach
Ablauf von vier Wochen seit dem Tage der Bekanntmachung
ist dem Auswandernden über letztere eine Bescheinigung zu
ertheilen. Die Bescheinigung kann auf Antrag vor Ablauf von
vier Wochen ertheilt werden, falls kein Grund zu der Annalıme
vorliegt, dass der Auswandernde sich durch die Auswanderung
bestehenden Verpflichtungen entziehen will.
Soll die Auswanderung später als drei Monate nach dem
in der Bescheinigung angegebenen Zeitpunkte oder unter Zu-
rücklassung eines der darin bezeichneten Angehörigen statt-
finden, so bedarf es einer erneuten Anzeige und Bekannt-
machung.* |
Der Entwurf von 1892 ging dabei von der Erwägung aus,
dass das Gesetz es als eine seiner vornehmlichen Aufgaben be-
trachten müsse, durch geeignete Massregeln den Missbräuchen