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Taothringen 1872 S, 475 und 1873 S. 331 und 385) oder der
Verletzung der Wehrpflicht (8 140 St.-G.-B.) schuldig gemacht
hat. Vom Standesbeamten ist daher, wenn bei ihm die Anord-
nung des Aufgebotes für einen ausserhalb des Reichsgebietes sich
aufhaltenden Deutschen beantragt wird, zu prüfen, ob dieser
nicht Fahnenflüchtiger oder Refraktär ist. Zutreffenden Falls ist.
der Antrag auf Anordnung des Aufgebotes abzulehnen und hier-
von der Antragsteller mittels schriftlicher Bescheidung zu be-
nachrichtigen. Im Zweifelsfalle hat der Standesbeamte bei dem
vorgesetzten Ersten Staatsanwalte anzufragen. —
In welchem Umfang diese beiden behördlichen Verfügungen
in der Lokalinstanz ausgeführt, mit welchem Effekte sie gehand-
habt worden sind, ist bei dem Mangel statistischer Angaben zur
Sache nicht erkennbar. In dem deutschen (iebietstheile, in
welchem die zu bekämpfende Erscheinung die relativ grösste Ver-
breitung gefunden hat’, stellte sich allerdings bald das Bedürfniss
nach aufklärenden Ergänzungen ein, die auf Grund der Dienst-
anweisung für die Standesbeamten vom 17. Aug. 1882, erlassen
vom Ministerium für Elsass-Lothringen, Abtheilung für Justiz
und Kultus, von der zuständigen (s. $ 46) Staatsanwaltschaft
ausgingen. In seiner Verfügung vom 12. Mai 1897 schreibt der
Oberstaatsanwalt in Kolmar: „Ein Einzelfall veranlasst mich,
hervorzuheben, dass die Gesichtspunkte, auf Grund deren inhalt-
lich der an Ew. Hochwohlgeboren gerichteten Ministerialverfügung
som 14. Nov. 1895 II A. 2852, die Anordnung eines Aufgebotes
im Inlande für einen Deutschen, der sich im Auslande verehe-
lichen will, dann für unzulässig zu erachten ist, wenn sich der-
” Wegen Verletzung der Wehrpflicht haben im Jahre 1897 rechtskräftige
Verurtheilungen stattgefunden im ganzen Deutschen Reiche: 15660; davon
entfielen auf die Regierangsbezirke Marienwerder 1698, Bromberg 1216, auf
Elsass-Lothringen 1318. In allen anderen Regierungsbezirken und Staaten
blieb die Zahl der rechtskräftigen Verurtheilungen weit hinter diesen Zahlen
zurück. (S. Kriminalstatistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1897. Neue
Folge Bd. CXX [1899] S. 180 ff.)