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selbe der Fahnenflucht oder der Verletzung der Wehrpflicht
schuldig gemacht hat (vgl. die an die Standesbeamten erlassene
Ministerialverfügung vom 14. Nov. 1895, Stg. XX S. 462, vgl.
Standesbeamter 1895 S. 273), gleichermassen auf die Errichtung
von Eheeinwilligungsurkunden (829 des Ges. vom 6. Febr.
1875) für Fahnenflüchtige und Refraktäre unzulässig erscheinen
Jassen.
Mit Rücksicht darauf, dass Fälle, in welchen Fahnen-
flüchtige und Refraktäre auf Grund einer Eheeinwilligungsurkunde
ohne Aufgebot im Inlande zur Eheschliessung im Auslande
schreiten können, nicht so häufig vorkommen werden, ist eine
allgemeine Verständigung der Standesbeamten und Notare vor-
erst nicht für erforderlich, eine Benachrichtigung dieser Beamten
durch Ew. Hochwohlgeboren im einzelnen Falle vielmehr für ge-
nügend erachtet worden. Sollte in der Folge ein Bedürfniss für
Erlass einer entsprechenden allgemeinen Verfügung an die Standes-
beamten und die Notare hervortreten, so würde ich gefl. Berichte
entgegensehen“ °.
Was diesen Anordnungen von Verwaltungsbehörden, ab-
gesehen von der Identität des Ziels, gemeinsam ist, das ist die
meines Erachtens gegen das Reichsgesetz verstossende Gleich-
stellung von Fahnenflüchtigen und solchen Personen, welche
sich der Verletzung der Wehrpflicht durch unerlaubte
Auswanderung schuldig gemacht haben. Diese Personen-
gruppen sondert das Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, das sich
als gemeines Recht mit der Forderung undurchbrochener Geltung
für alle Reichsangehörige darstellt und einschränkende Normen
nur für das Eheschliessungsrecht von „Militärpersonen“ enthielt.
Nur diese nahm $ 38 R.-G. wegen ihrer Zugehörigkeit zu
einem besonderen Standesrechte aus der Geltung seines ge-
meinen Reichsrechts aus. Als solche Militärpersonen gelten aber
° $. Standesbeamter (1897) S. 122.