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ununterbrochene zehnjährige Aufenthalt im Auslande
auch für Minderjährige den Verlust der Staats- und
Reichsangehörigkeit? — und es gelangt hierbei nach ein-
gehender Motivirung zur bejahenden Antwort, die allerdings von
der Praxis der Einzelstaaten nicht immer als massgebend angesehen
worden ist. Wir wollen hier gar nicht von den weiteren Verwick-
lungen sprechen, die der Grundfrage der „unbefugten Auswande-
rung“ in ihrer Beziehung zur Verletzung der Wehrpflicht im Sy-
stem der sog. Bancroftverträge erwachsen. Wir wollen nur er-
wähnen, dass das reichsgerichtliche Erkenntniss, wonach ein aus-
gewanderter Deutscher, der die nordamerikanische Staats-
angehörigkeit erworben und sich fünf Jahre lang ununter-
brochen in den Vereinigten Staaten aufgehalten hat, nach seiner
Rückkehr nicht mehr wegen Verletzung der Wehrpflicht
gestraft werden kann (Entscheidungen in Strafsachen Bd. X XIX
S. 391 ff.), von der Verwaltungspraxis nicht immer gleichmässig an-
gewandt worden ist.
Alle diese formell- und materiellrechtlich so überaus schwie-
rigen und feinspitzigen Vorfragen, an deren Beantwortung sich der
ganze geschulte Witz richterlicher Elitekreise seit Jahren erprobt
hat und noch weiter zu erproben reiche Gelegenheit finden wird,
ist jetzt in weiten Gebieten des Deutschen Reiches durch die oben
bezeichneten ministeriellen Verfügungen zur souveränen Entschei-
dung im einzelnen Fall den standesamtlichen Funktionären in
den tausend und abertausend kleinen Standesamtsbezirken über-
tragen. Nach ihrem freien Ermessen gewähren oder versagen
diese fortan die vorgeschriebene Beglaubigung von Auszügen aus
den Standesregistern ($$ 15, 16 R.-G.) ebenso wie die berufenen
Gemeinde- und Aufsichtsbehörden, je nachdem sie anzunehmen
Grund haben oder nicht, dass der Auszug aus dem Standes-
register von einem unerlaubter Weise Ausgewanderten zur „Förde-
rung eines persönlichen Interesses irgend welcher Art verwendet
werden soll“. Offenbar gleichgültig, ob es sich um ein vermögens-