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verhältnisse zahlloser deutscher Familien im’ Inland, wie im Aus-
land, und zwingt endlich Tausende und Tausende, zugegeben tın-
befugt Ausgewanderter, zur Abstreifung der deutschen
Staatsangehörigkeit, nicht nur für sich, sondern auch
für Frau und Kinder. Wer die von Tag zu Tag wachsenden
Hilfseinrichtungen des internationalen Verkehrs kennt, der wird
wissen, dass die Versagung des Aufgebots in der Heimaths-
gemeinde fast überall ein dispensirbares Requisit der Ehe-
schliessung ist. Seine Versagung hindert die zumeist den mittel-
losen, unteren Klassen angehörigen Personen niemals, im Aus-
lande die beabsichtigte Ehe abzuschliessen. Ob diese daher dem
formalen Bedürfniss eines Aufgebots in der Heimath Rechnung
tragen können oder nicht, wird auf ihre Entschliessungen einen
verzweifelt geringen Einfluss ausüben. Wohl aber muss die Ver-
sagung des Aufgebotes in ihren Nachwirkungen Unsicherheit in
die Bevölkerungsverhältnisse, Lückenhaftigkeit in die Standes-
register tragen und daher Verschlechterung unseres inneren
Rechtszustandes zur Folge haben.
Das Aufgebot ist eben keine Rechtswohlthat, kein
Vortheil, sondern eine objektive Sicherungsmassregel,
ergriffen im Interesse der staatlichen Verwaltung selbst.
Die oben angeführte Massregel ist somit ohne praktischen
Werth; sie trägt aber zugleich einen Charakter an sich, der sie
als Mittelding zwischen Strafe und Rancune erscheinen lässt.
Der Staat soll strafen und muss strafen, er kann aber nicht
chikaniren ohne eine Einbusse seines Ansehens zu erleiden,
Zwischen dem Zeitpunkte der thatsächlichen Flucht aus Deutsch-
land zum Zwecke der Entziehung aus der Wehrpflicht und der
Eheschliessung liegt regelmässig ein so breiter Zeitraum, dass
die Befürchtung: bei einer etwaigen künftigen Eheschliessung
formal-technischen Schwierigkeiten zu begegnen, — jedenfalls
nicht den geringsten impulsiven Einfluss auf den zur Flucht Ent-
schlossenen auszuüben vermag. Später, nachdem das Delikt be-
Archiv für Öffentliches Recht. XV. 2. 18