Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Diesem, wie ich gezeigt zu haben glaube, innerlich wider- 
spruchsvollen System gegenüber verdiente noch weitaus das ältere 
den Vorzug, das mit Hilfe der sog. Deserteurkartelle?° die 
völkerrechtlich geordnete wechselseitige Hilfe der Staaten?! in 
den Dienst der militärischen Verwaltungsbedürfnisse gestellt hatte. 
Glaubte man an zuständiger Stelle, auf dieses ältere System all- 
mählich verzichten zu müssen, so bedurfte es eben einer gründ- 
lichen Reform der Materie auf dem vorgezeichneten Gesetz- 
gebungswege, nicht aber auf dem Boden der schwankenden Ver- 
waltungspraxis. 
3° Wie weit dieses System noch in praktischer Geltung, wie weit es 
obsolet geworden, s. den an der Hand des positiven Rechtsstoffes gut orien- 
tirenden Aufsatz von DeLius: Die Auslieferung Wehrpflichtiger, insbesondere 
aktiver Militärpersonen. Zeitschr. f. internationales Privat- und Strafrecht 
Bd. DI S. 122ff. 
%! Meines Erachtens muss sowohl vom rechtsgeschichtlichen, wie vom 
Standpunkt der Dogmatik des internationalen Verkehrsrechts anerkannt 
werden, dass der Schutz der militärischen Dienstpflicht eine wechselseitige 
Ordnung der Staatshilfe auf dem Grunde der Reciprocität durchaus recht- 
fertigt. Ich habe mich schon vor Jahren in Holtzendorft’s Handbuch des 
Völkerrechts (Hamburg 1887) Bd. II S. 632 ff. dahin ausgesprochen, dass 
Gründe gegen eine solche internationale Hilfe im Gebiete eines der wich- 
tigsten Zweige der staatlichen Verwaltung sich weder aus der Natur des 
staatsbürgerlichen Verhältnisses, noch viel weniger aus allgemeinen ethischen 
Gesichtspunkten ausfindig machen lassen. Der von v. Bar dagegen erhobene 
Einwand, dass „auch die Menschlichkeit und die billige Berücksichtigung 
individueller Gefühle dem entgegenstehen könne“ (Theorie und Praxis des 
internationalen Privatrechts Bd. I S. 199), konnte mich nicht von der Ueber- 
zeugung abbringen, dass im System des positiven internationalen Verkehrs- 
rechts der Staat sich zur Durchsetzung dieser aus dem staatsbürgerlichen 
Gehorsam fliessenden Verbindlichkeit seines Angehörigen auch der Mit- 
wirkung des fremden (Aufenthalts-)Staates bedienen kann. Gehe ich somit 
an dieser Stelle aus prinzipiellen Gründen über das zur Zeit geltende Mass 
zwingender Normen zum Schutz der Militärdienstpflicht im System der freien 
Auswanderung hinaus, so glaube ich für meine vorstehenden kritischen Aus- 
führungen von vorneherein wenigstens den einen Einwand ablehnen zu können, 
dass sie in ihrem Endzweck nicht den Forderungen einer verwaltungsrecht- 
lichen Sicherung der Militärdienstpfliicht genügende Rücksicht zu Theil 
werden lassen.
	        
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