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Zwischen diese drei Gründer des neueren deutschen Naturrechtes und
Taomasıus schiebt LanpsBere ein Kapitel ein, „Uebergangszeitalter* betitelt
(von 1680—1710), enthaltend die Zeit, in welcher man sich „von der scho-
lastisch-romanistischen Vorbildung und von der praktischen Routine zu einer
Behandlung der Wissenschaft wendet, in welcher naturrechtliche, germani-
stische und aufklärerische Elemente hervortreten“. Hier ist unter anderen
SamuEL Rachsv's (seit 1665 in Kiel) gedacht, der zuerst kühn genug ist, aus-
drücklich im Fall des Widerspruches des positiven Rechtes mit dem natür-
lichen die Anwendung des letzteren, also die Nichtbeachtung des positiven
Rechtes zu verlangen und dadurch die Brücke schlägt zur englischen revo-
lutionären Richtung des Naturrechtes, die in Deutschland seit dem allerersten
Auftreten LuTHER’s eingeschlafen war.
Auch LunpouLr Huco’s ist Erwähnung gethan, der die Ansätze BEsoLp’s
zur Entwickelung des bundesstastlichen Begriffs fortgevildet hat, dann des
VITRIARIUS, den PrEFFINaER „illustriert* und damit zu einem der meist-
gebrauchten Autoren gemacht hat, dann des Kompilators Lünıe, des Poly-
historse OBRECHT, des protestantischen Kanonisten ZIEGLER, des merkwürdiger-
weise in dem französischen Strassburg wirkenden Germanisten SCHILTER, des
berühmten Civilisten SAMmUEL STRYK, Verfassers des „Usus modernus Pan-
dectarum“. Diesen letzteren nennt Lanvspere das Haupt jener Schule,
welche alle Zwischenbildungen zwischen Staat und Individuum zerstörte, und
weist ausserdem auf die hohe Bedeutung hin, welche STrRYK durch die An-
fechtung der schauderhaften Praxis der Hexenprozesse gewonnen, schon auf
blosse Verdachtsgründe hin auch ohne vollen Beweis Hexen zu verurteilen.
Nicht vergessen möge es STRYK auch sein, dass er eigentlich derjenige war,
der THomasıvs zu seinem berühmten Kampf gegen die Hexenprozesse anregte.
Taomasıus ist sodann ein besonderes Kapitel gewidmet, das gewisser-
massen den Mittelpunkt des ganzen Werkes darstellt. Wir lesen, wie Tuo-
MASIUS, anfänglich im Bann verschiedener Autoritäten stehend, erst um das
Jahr 1684 selbständiger wird, wie er in Leipzig in den Spuren PUFENDORF's
wandelnd, neue Angriffe gegen die noch immer herrschende scholastische
Jurisprudenz schmiedet und wie sehr er mit diesen Angriffen den höchsten
Anstoss erregte. 1685 behauptet er in einer Dissertation, dass das Verbot
der Bigamie sich aus dem Naturrecht nicht ableiten lasse, und kaum hat sich
das Entsetzen über diese Behauptung etwas gelegt, so wagt er noch im selben
Jahre den vielleicht noch kühneren Schritt, ein deutsches Kolleg anzukünden,
das übrigens komischerweise zum Inhalt hat einen „Discurs, welchergestalt
man denen Franzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen soll“.
Nachdem er aus Leipzig herausgedrängt worden war, wird er 1690 von der
preussischen Regierung nach Halle mit dem originellen Auftrag geschickt,
dort eine Konkurrenz-Universität aus der Erde zu stampfen. Einige Zeit
vertritt er hier die philosophische und juristische Fakultät allein, bis ihm
1692 SAMmuEL STRYK und dann andere an die Seite gesetzt werden. Und hier