Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Revolution begegnet, und zwar ist der Gedanke, dass Staatsverbrechen von 
vertragsmässigen Auslieferungspflichten zu eximieren seien, zuerst in Amerika 
ausgesprochen worden. Im Zeitalter der Restauration ist weder in den 
Gesetzbüchern, noch in den Verträgen, noch in den Förderationsakten von 
einer völkerrechtlichen Sonderstellung der politischen Delikte die Rede. 
Obgleich die internationale Praxis keinen Anstand nahm, sich der bestehenden 
Vollmachten zu bedienen, machten sich immerhin doch zunehmende Be- 
denken gegen eine im Auslieferungswege erfolgende Zwangssistierung politi- 
scher Refugies bemerkbar, wofür charakteristisch die preussisch-russischen 
Kartellkonventionen sowie gleichzeitige Vorgänge in England, Frankreich und 
Holland sind. 
Verf. behandelt hierauf Belgien und die politischen Delikte, indem er 
davon ausgeht, dass der heutige Zuschnitt ohne Eingehen auf die belgische 
Legislation nicht verstanden werden könne. Mit dem Ausdruck „politisches 
Delikt“ stellt der Gesetzgeber nicht Triebfedern und Tendenzen, sondern 
objektive Kriterien auf. Er rechnet die zusammengesetzten (gemischten, 
komplexen) politischen Thatbestände keineswegs zu den gemeinen Verbrechen 
und die aus politischen Motiven verübten keineswegs zu den politischen 
Delikten. Der Begriff eines relativ politischen Delikts entspricht nicht dem 
belgischen Recht, dessen Sinn vielmehr einfach der ist, dass der Asylschutz 
bloss den politischen Thatbeständen verheissen wird, sondern dass er unter 
gewissen Voraussetzungen auch auslieferungsmässigen Strafthaten zu gute 
kommen soll. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden. Der eine ist die ideelle 
Konkurrenz eines politischen mit einem nicht politischen Auslieferungs- 
verbrechen. Der zweite Fall ist der, dass eine an sich unter die Rechts- 
hilfepflicht fallende Strafthat in concreto mit einem politischen Thatbestand 
konnex ist, d. h. zusammenhängt. Der Begriff der Konnexität zielt auf eine 
Mehrheit von Verschuldungen ab, also nicht auf politische Legalthatbestände 
zusammengesetzter Natur, oder gar auf blosse Realkonkurrenz. Gemeint ist 
vielmehr ein bewusstes und gewolltes Kausalitätsverhältnis zwischen zwei 
verschiedenen Rechtsverletzungen. Das gemeine Verbrechen ist einem poli- 
tischen konnex, wenn es als Mittel, Weg, Deckung für eine anderweitig be- 
gangene politische Strafthat gewollt ist. Gegensatz des konnexen ist das 
isolierte Verbrechen. Bei der Frage, was im Gegensatz zu einer konnexen 
Strafthat ein politischer Thatbestand sei, ist vom französisch-belgischen 
Strafrecht bei seiner Unterscheidung von crimes contre la chose publique 
und contre les particuliers auszugehen. Letztere sind nicht politisch. Aber 
auch die Verbrechen gegen das Gemeinwesen sind keineswegs sämtlich 
politisch, vielmehr ist, um festzustellen, welche Rechtsverletzungen nach 
ihrem objektiven Charakter als politisch zu erachten sind, auf das Prinzip 
des politischen Arylschutzes einzugehen. Dieser findet seinen Grund ledig- 
lich in der Unsicherheit über die strafrechtliche Würdigung eines in der 
Fremde von einem Ausländer begangenen Verbrechens, dessen schuldhafte
	        
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