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Natur in Art und Mass bedingt wird durch die Beschaffenheit thatsächlich
vorhandener Rechtszustände. Hiernach sind politische Delikte alle diejenigen
Legalbestände, die sich unmittelbar gegen die politische Gesamtorganisation
des Volkes richten. Politische Thatbestände können zusammengesetzter
(gemischter, komplexer) Natur sein. Nach bestehendem Völkerrecht ist,
soweit nicht Ausnahmen vertragsmässig gemacht werden, mit dem einfachen
auch das zusammengesetzte politische Delikt der Extradition entzogen. Der
Anschlag auf das Leben eines Monarchen ist und bleibt ohne die belgische
Klausel ein Asyldelikt. Gemäss dem Gesetze von 1833 nehmen auch die
belgischen Verträge den Begriff des politischen Delikts im objektiven Sinne
und unterscheiden von ihm die konnexe Strafthat, eine Bestimmung, welche
international geworden ist.
Nach einer Darlegung des französischen Rechts seit der Julirevolution
bis 1869 erläutert Verf. den Fall Jacquin und kommt sodann auf das belgi-
sche Gesetz über die politischen Attentate vom 22. März 1856, die zur Be-
hebung der Zweifel über den Sinn des Art. 6 des Gesetzes von 1833 er-
gangene Novelle, zu sprechen. Praktisch besagt diese, dass jede Tötung
der erlauchten Person, sofern sie nicht als militärisches Kampfmittel an-
zusehen ist, dem Auslieferungszwange verfalle. Diese Novelle hat einen
wahren Siegeszug durch Europa gehalten, indem fast sämtliche Glieder unserer
Staatenwelt das Bedürfnis nach Beschränkung des politischen Asylschutzes
im Sinne der belgischen Klausel anerkannt haben. Nur drei Staaten, nämlich
die Schweiz, Grossbritannien und Italien verweigern ihre Zustimmung. Der
Gegnerschaft dieser Staaten widmet der Verf. eine längere Darlegung, so-
dann geht er über auf Frankreichs und Belgiens Gesetzgebung bezüglich der
im Auslande begangenen Delikte, auf die Fremdenausweisung im belgischen
Recht, sowie auf die neuen belgischen Auslieferungsgesetze und Verträge,
von denen namentlich das von 1868 erheblich zur Uniformierung des völker-
rechtlichen Rechtshilfeverkehrs beigetragen hat, welch letzteres Gesetz
wiederum durch das von 1874 ersetzt worden ist, und behandelt in einer
systematischen Uebersicht das heutige belgische Auslieferungsrecht, soweit
dasselbe gesetzlicher Natur ist, sowie die strafrechtliche Rechtshilfe des
belgischen Vertragsrechts. Den Schluss des vortrefflichen Werkes bildet
eine Darstellung einzelner Betrachtungen über moderne Auslieferungsgesetze.
In Anlage I befindet sich eine Sammlung von Auslieferungs- und Fremden-
gesetzen und in Anlage II ein Repertorium der modernen Auslieferungs-
verträge. Ein ausreichendes, über beide Teile des Werkes sich erstreckendes
Sachregister erleichtert das Auffinden der einzelnen Materien.
Frankfurta.M. Dr. Menzen.