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Ernst von Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungs-
geschichte 1680—1866. Erster Band: Die Verfassungsgeschichte,
zweiter Band: Die Verwaltungsgeschichte. Leipzig, Duncker & Hum-
blot, 1898, 1899. X u. 556 S., VIII u. 647 S. Gr. 8°. M. 25.—.
Mochte vor einigen Jahrzehnten noch die Klage berechtigt sein, dass
uns die innere Geschichte des römischen und des karolingischen Reiches be-
kannter sei, als die Entwicklung des preussischen und anderer deutschen
Staaten im 17. und 18. Jahrh., so trifft dieser Vorwurf heute nicht mehr zu.
Verf. hat selbst für Preussen viel gethan, das Dunkel zu lichten in seiner
vortrefflichen Schrift über die Reform der Verwaltungsorganisation unter
Stein und Hardenberg. Er hat sich jetzt neue Verdienste erworben durch
die Darstellung der abgeschlossenen Entwicklung eines deutschen Mittel-
staates, des vormaligen Königreichs Hannover.
Als Ausgangspunkt hat Verf. das Jahr 1680 gewählt, in dem Herzog
Ernst August, demnächst der erste Kurfürst und Begründer des modernen
Hannover, zur Regierung gelangte. Die ganze ältere Entwicklung der welfi-
schen Teilfürstentümer bleibt also unerörtert. Wenn man erwägt, dass das
ganze Ancien regime nur ein Kompromiss der modernen Staatsidee mit
den mittelalterlichen Einrichtungen ist, letztere also voraussetzt, so wird
man vom rechts- und staatswissenschaftlichen Standpunkte aus die Wahl
des Jahres 1680 als Ausgangspunkt nicht billigen können, wie sehr es
auch vom Gesichtspunkte der politischen Geschichtschreibung annehmbar
erscheint. Die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte hat eben andere
Aufgaben als die politische Geschichte. Der Schlusspunkt ist naturgemäss
gegeben. Da es sich um ein seit über einem Menschenalter untergegangenes
Staatswesen handelt, ist die Grenze zwischen Geschichte und Zeitpolitik, die
sonst immer eine Klippe der Darstellung bilden wird, klar gezogen.
Auch nach einer anderen Seite beschränkt Verf. den Gegenstand der
Darstellung in einer Weise, die vielleicht nicht allgemein Billigung finden
wird. Die Verwaltungsgeschichte umfasst im Grunde genommen nichts anderes
als die Verwaltungsorganisation. Bei seiner früheren Arbeit über Stein und
Hardenberg hatte Verf. ausdrücklich sein Thema anf diese eingeschränkt,
Eine Verwaltungsgeschichte lässt doch aber ausser einer Darstellung der
Behördenorganisation eine solche der einzelnen Verwaltungszweige vermuten.
Allerdings hat Verf. die materielle Verwaltung nicht gänzlich unberücksich-
tigt gelassen. Einzelne Gegenstände des Finanzwesens und der Rechtspflege
finden sich an geeigneten Stellen der Verfassungsgeschichte behandelt. Aber
wenn man die Entwicklung des alten Hannover an seinem Auge vorüber-
ziehen lassen will, so gehört doch dazu nicht nur die Thätigkeit der ver-
fassungsmässigen Faktoren, sondern auch der Behörden in dem alltäglichen
Getriebe der Staatsverwaltung.
Diese vom Verf. abweichenden Ansichten über die zweckmässige An-
lage des ganzen Werkes stehen jedoch dem Anerkenntnisse nicht entgegen,