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eben die Wahrheit. Die Ursache davon findet Miızesı hauptsächlich darin,
dass zur gesetzgeberischen Thätigkeit Leute gerufen werden, die keine Vor-
bereitung dazu haben. Es ist gleichfalls nach der Ansicht des Verf. nur zu
tadeln, wenn dieselbe Versammlung, der die Gesetzgebung anvertraut ist und
also die Vernunft im Staate darzustellen hat, auch für die Vertheidigung
des Landes und die Kriegsangelegenheiten zu sorgen hat: Vernunft und
Kraft sind grundsätzlich verschiedene Funktionen und müssen verschiedenen
Organen zuerkannt werden.
Die Hilfsmittel sind somit gegeben. Die Abgeordnetenkammer und
der Senat sollen nicht mehr ein einziges Parlament zusammenbilden; beide
sollen vielmehr unabhängig von einander bestehen; jedes Glied soll einen
ganz verschiedenen Geschäftskreis besorgen. Die Abgeordnetenkammer soll
sich nur mit der materiellen Rechtsbildung beschäftigen; dazu wählbar sollen
nur diejenigen sein, die eine besondere, näher zu bestimmende wissenschaft-
liche Vorbereitung besitzen. Die Abgeordneten werden die Pflicht haben,
den Volkswillen zu verwirklichen; nicht den scheinbaren und wandelbaren
Willen (der von Irrthum, Unwissenheit und politischen Leidenschaften be-
einflusst wird), sondern den wahren und dauernden Willen, gerechte Gesetze
zu haben. Der Senat wird dagegen Alles besorgen, was die Vertheidigung
des Landes betrifft: Heer und Flotte, auswärtige und innere Angelegenheiten,
Finanzenverwaltung sollen seiner Leitung und Öberaufsicht unterworfen
werden.
Diese Ergebnisse hält der Verf. um so fester, als er sie durch die An-
wendung der experimentellen Methode gewonnen zu haben glaubt. Der
grösste Theil des Bandes ist der geschichtlichen Forschung gewidmet; es
werden die wichtigsten Verfassungen der alten und der neuen Staaten dar-
gestellt und verglichen; mit besonderer Vorliebe behandelt MitLzsı die
römische und die venetianische Staatsverfassung. Die ganze Darstellung soll
den Beweis erbringen, dass die Staaten dann in Blüte stehen, wenn die Ver-
nunft und die Kraft, das Recht und die (fewalt als getrennte Funktionen
von verschiedenen Organen vertreten sind; wo die Trennung aufhört, da
beginnt nach Verfassers Dafürhalten der Verfall.
So ist das Buch angeordnet. Es ist sehr zu bedauern, dass der Verf.
über Dinge geschrieben hat, die er nicht versteht. Hier mögen nur einige
Beispiele genügen. Die athenische Staatsverfassung wird von ihm kurz dar-
gestellt. Alte Irrthümer (dass die BovAm erst von Solon eingeführt worden
sei) sind dabei nicht vermieden. Die ’Admvatwv roA:teix wird einfach igno-
rirtt! Dagegen werden einige Stellen aus der aristotelischen Politik an-
geführt; der Verf. kennt aber nur moderne Uebersetzungen davon, und da
Seent’s Uebersetzung den Titel Trattato dei governi (Lehrbuch der Re-
gierungen) führt, so glaubt er, dass es sich um ein anderes Werk handle
und giebt aus solchem (ohne es zu merken) ein Stück, das er schon gleich
vorher aus einer anderen Uebersetzung als eine aus der Politik entnommene