Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Ferner übersieht KorkUnow gänzlich, dass der sog. hohe Adel die 
Landesherren selbst waren und dass der unter keinem Fürsten stehende, 
aber nicht reichsständische Adel (ZöPFL, a.a.0.S. 128), der nur reichsunmiittel- 
bare Adel, nicht zum hohen Adel gerechnet wurde. 
Der Titel „Durchlaucht“, das Recht auf niedere Polizei und Patrimonial- 
gerichtabarkeit steht oder stand auch anderen Personen als denen vom hohen 
Adel zu, nicht nur diesem, wie Korkunow meint, der auch den schwierigen, 
für beide Arten des deutschen Adels so charakteristischen Begriff der Miss- 
heirat gänzlich übergeht und nur von dem Recht der Ebenbürtigkeit des 
hohen Adels mit regierenden Familien spricht. Die Geschichte der Entwick- 
lung des Begriffs der Missheirat, nämlich des Kampfs um die Uebertragbar- 
keit des Adels auf die Ehefrau durch die Heirat ($ 8 Allg. L.-R. II 9), 
mit seinem immerhin teilweisen Erfolge, beweist, dass der gänzliche geburts- 
ständische Abschluss des Adels nach dieser Seite ebenso wenig erreicht ist, 
wie im Kampfe gegen die fortdauernde Ergänzung des Adels durch Ver- 
leihungen, mittels Ahnenproben und ähnlichen Hindernissen gegen Neu- 
adel. 
Das Recht auf Austräge ist nicht, wie Korkunow darstellt, eine Art 
Schiedsgericht unter Mitgliedern des hohen Adels zur Entscheidung von 
Familienstreitigkeiten, sondern eine wirkliche staatliche Gerichtsform in 
Strafsachen und zwar nicht gegen Mitglieder des hohen Adels, sondern gegen 
die Häupter der Familien des hohen Adels ($ 2 Einf.-G. z. G.-V.-G. und 
88 17 ff. der preussischen Instruktion vom 20. Mai 1820 betr. die vormals un- 
mittelbaren deutschen Reichsstände). 
Die Klagen deutscher Rechtslehrer über Abschaffung des Adelsverlustes 
als Strafe zu erwähnen, ist Korkunow hauptsächlich durch den russischen 
Rechtszustand veranlasst (S. 87 ff.), der diese Strafe noch kennt; in Deutsch- 
land sind diese Klagen weder allgemein, noch angethan, in absehbarer Zeit 
Erfolg in der Gesetzgebung zu haben. 
Schon bei den Beratungen des Frankfurter Parlaments (seit 18. Mai 
1848) hat der Abgeordnete für Ratibor, Fürst Lichnowski, zur Frage über 
Abschaffung des Adels in den zukünftigen deutschen staatsrechtlichen Ver- 
hältnissen sich (Stenographische Berichte, besorgt von Professor Wigard) 
dahin ausgesprochen, dass (die bisherigen damaligen Ausführungen zur Sache 
ihm nicht die eigentliche Schwierigkeit zu berühren schienen; man könne ihm 
durch Gesetz freilich seinen Fürstentitel nehmen, aber erstens sei die Erinne- 
rung an diesen Titel doch so lange nicht ausgelöscht, so lange man ihm nicht 
auch seinen Namen durch Gesetz nähıne und mit einem anderen vertauschte, 
zweitens könne kein Gesetz, das Titel beseitigte und Namen änderte, auch 
die Lebensanschauung beseitigen und ändern, welcher Titel und Namen den 
Stempel aufdrückten. 
Diese Ansicht verdient Beachtung auch bei Beantwortung des Wunsches 
nach Aberkennung des Adels als Strafe.
	        
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