— 317 —
Ferner übersieht KorkUnow gänzlich, dass der sog. hohe Adel die
Landesherren selbst waren und dass der unter keinem Fürsten stehende,
aber nicht reichsständische Adel (ZöPFL, a.a.0.S. 128), der nur reichsunmiittel-
bare Adel, nicht zum hohen Adel gerechnet wurde.
Der Titel „Durchlaucht“, das Recht auf niedere Polizei und Patrimonial-
gerichtabarkeit steht oder stand auch anderen Personen als denen vom hohen
Adel zu, nicht nur diesem, wie Korkunow meint, der auch den schwierigen,
für beide Arten des deutschen Adels so charakteristischen Begriff der Miss-
heirat gänzlich übergeht und nur von dem Recht der Ebenbürtigkeit des
hohen Adels mit regierenden Familien spricht. Die Geschichte der Entwick-
lung des Begriffs der Missheirat, nämlich des Kampfs um die Uebertragbar-
keit des Adels auf die Ehefrau durch die Heirat ($ 8 Allg. L.-R. II 9),
mit seinem immerhin teilweisen Erfolge, beweist, dass der gänzliche geburts-
ständische Abschluss des Adels nach dieser Seite ebenso wenig erreicht ist,
wie im Kampfe gegen die fortdauernde Ergänzung des Adels durch Ver-
leihungen, mittels Ahnenproben und ähnlichen Hindernissen gegen Neu-
adel.
Das Recht auf Austräge ist nicht, wie Korkunow darstellt, eine Art
Schiedsgericht unter Mitgliedern des hohen Adels zur Entscheidung von
Familienstreitigkeiten, sondern eine wirkliche staatliche Gerichtsform in
Strafsachen und zwar nicht gegen Mitglieder des hohen Adels, sondern gegen
die Häupter der Familien des hohen Adels ($ 2 Einf.-G. z. G.-V.-G. und
88 17 ff. der preussischen Instruktion vom 20. Mai 1820 betr. die vormals un-
mittelbaren deutschen Reichsstände).
Die Klagen deutscher Rechtslehrer über Abschaffung des Adelsverlustes
als Strafe zu erwähnen, ist Korkunow hauptsächlich durch den russischen
Rechtszustand veranlasst (S. 87 ff.), der diese Strafe noch kennt; in Deutsch-
land sind diese Klagen weder allgemein, noch angethan, in absehbarer Zeit
Erfolg in der Gesetzgebung zu haben.
Schon bei den Beratungen des Frankfurter Parlaments (seit 18. Mai
1848) hat der Abgeordnete für Ratibor, Fürst Lichnowski, zur Frage über
Abschaffung des Adels in den zukünftigen deutschen staatsrechtlichen Ver-
hältnissen sich (Stenographische Berichte, besorgt von Professor Wigard)
dahin ausgesprochen, dass (die bisherigen damaligen Ausführungen zur Sache
ihm nicht die eigentliche Schwierigkeit zu berühren schienen; man könne ihm
durch Gesetz freilich seinen Fürstentitel nehmen, aber erstens sei die Erinne-
rung an diesen Titel doch so lange nicht ausgelöscht, so lange man ihm nicht
auch seinen Namen durch Gesetz nähıne und mit einem anderen vertauschte,
zweitens könne kein Gesetz, das Titel beseitigte und Namen änderte, auch
die Lebensanschauung beseitigen und ändern, welcher Titel und Namen den
Stempel aufdrückten.
Diese Ansicht verdient Beachtung auch bei Beantwortung des Wunsches
nach Aberkennung des Adels als Strafe.