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in solchen Fällen hervorgerufen oder verhütet werden soll, nur
in äusserlichem, nicht innerlichem Zusammenhang mit dem Ar-
beitsvertrage steht.
So sind Thätlichkeiten gegen Mitarbeiter oder Entwendungen
bereits durch das Strafgesetz verboten. Die Gewerbeordnung
giebt ausserdem für diese Fälle in $ 123 das Recht der sofortigen
Entlassung. Trotzdem macht der Arbeitgeber, um eine geübte
ständige Arbeiterschaft für seinen Betrieb heranzubilden, nicht
ohne Noth von der Strenge des Gesetzes Gebrauch. Wenn der
Arbeitgeber jeden Arbeiter wegen kleiner Verfehlungen vor das
Gericht stellte oder entliesse, so würden dadurch, wie Freiherr
v. STumMM treffend hervorgehoben hat, Verhältnisse hervorgerufen
werden, die kein verständiger Arbeiter als richtig anerkennen
würde”.
Andererseits hat aber der Arbeitgeber im Interesse der
Ordnung des gesammten Betriebes ein dringendes Interesse daran,
dass auch diese kleinen Verfehlungen unterbleiben. Da er die
Arbeiter dem Staatsanwalt nicht übergeben will, sucht er nach
einem Surrogat der echten Strafe und begründet — um mit
SAvisnY® zu reden — eine „Kriminalanstalt im Kleinen“ in
seinem Betriebe.
Das Institut der Privatstrafe feiert hier seine Auferstehung.
Die Strafe dient nicht dem Vermögensinteresse, sondern der
Abschreckung. Betrachtet man die in der Arbeitsordnung
vorgesehenen Strafen als Konventionalstrafen, so würde die
Grundlage der Strafbefugniss auf dem mit den Arbeitern ge-
schlossenen Vertrage beruhen. Der Arbeitgeber würde also seine
Strafbefugniss aus dem Willen auch der Arbeiter herleiten. Allein
der & 134° Abs. 2, der von einer „Verhängung“ von Strafen
spricht, deutet bereits äusserlich auf eine selbständige Straf-
? Stenogr. Berichte des Reichstags 1890, 8. 160.
® v. Savıony, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen
Rechts Bd. II. Berlin 1851.