Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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selben zu äussern. Nach dieser Bestimmung scheint es, als ob 
durch Anhörung der grossjährigen Arbeiter der zum Vertrag- 
schluss nothwendige Konsens erzielt werden solle. Dies trifft 
jedoch nicht zu. Es handelt sich lediglich um eine sozialpolitische 
Zweckmässigkeitsmassregel, damit der Arbeitgeber sich von den 
Bedenken der Arbeiter Kenntniss verschaffe und, falls er mit 
den Arbeitern nicht übereinstimme, Gelegenheit erhalte, den Ar- 
beitern die Ueberzeugung beizubringen, dass er „guten Grund 
habe, die vorgetragenen Wünsche abzulehnen“ **. 
Der Unterlassung der Anhörung ist aber keineswegs die 
Folge beigelegt, dass eine ohne vorgängige Anhörung der Ar- 
beiter erlassene Arbeitsordnung als rechtsunwirksam zu behandeln 
wäre?®, 
Für den Fabrikbesitzer besteht keinerlei Zwang, den Be- 
denken der Arbeiter Rechnung zu tragen. In diesen Bestimmungen 
kommt deutlich zum Ausdruck, wie wenig von vornherein das 
Gesetz auch nur von einem vermutheten Konsens der Parteien 
ausgeht. Das Wesen des obligatorischen Vertrages beruht in 
der Gleichberechtigung beider Parteien. Die Parteien schaffen 
durch ihren Konsens den Vertrag. Hier aber steht die eine 
Partei der anderen ohne jeden rechtlichen Einfluss gegenüber; 
die Arbeitsordnung kommt auch zu Stande, wenn alle Arbeiter 
sich gegen dieselbe äussern, oder wenn überhaupt keine Gelegen- 
heit zur Aeusserung gegeben ist. . 
Charakteristisch ist fernerhin, dass nur grossjährige Arbeiter 
gehört werden sollen. Die weiblichen und minderjährigen Arbeiter 
bleiben ausser Betracht. 
?* So Abgeordneter ÜECHELHÄUSER in den Stenogr. Berichten des Reichs- 
tags a. a. O. S. 2306. 
25 Ebenso ScHENKEL, Kommentar zur Reichsgewerbeordnung zu $ 134d 
No. 7 (2. Aufl.). Jedoch verfällt der Arbeitgeber gemäss $ 147 Abs. 1 
Ziff. 5 R.-Gew.-O. in eine Strafe, wenn er der Aufforderung der Verwaltungs- 
behörde zur nachträglichen Beobachtung der Formvorschrift keine Folge 
leistet,
	        
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