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seien, das seien für mich die Akten der Behörden. Ich hätte
der Wissenschaft mit ausdrücklichen Worten das Recht bestritten,
Anordnungen der höchsten Staatsgewalt, welche unangefochten
zur Wirksamkeit gebracht werden, für rechtswidrig und nichtig
zu erklären. AnscHütz legt Verwahrung gegen solche Methodik
ein, bei deren Anwendung die Wissenschaft noch den letzten
Rest an Achtung, welcher ihr nach meiner Abschätzung ver-
blieben sei, einbüssen müsste. 8. 30ff. hebt AnscHürtz hervor,
dass Abs. 2 in Art. 62 der preussischen Verfassung keineswegs
tautologisch sei, sondern nur das sog. absolute Veto- bzw.
Sanktionsrecht der Krone feststelle, dass aber Abs. 1 einen
tautologischen Inhalt habe, wenn man nicht „gesetzgebende Ge-
walt“ als rechtsetzende Gewalt auffassen würde. In einigen
Artikeln (1, 2, 3, 99, 103) habe das Wort „Gesetz“ allerdings
„formelle Bedeutung“, in Art. 86, die Richter seien nur der Au-
torität des Gesetzes unterworfen, aber materielle Bedeutung, was
auch das preussische Oberverwaltungsgericht annehme (Bd. XVI
S. 54), ebenso in Art. 4, die Preussen seien vor dem Gesetze
gleich, und in Art. 9, Strafen können nur in Gemässheit des
Gesetzes angedroht oder verhängt werden. Wenn ich behaupte,
dass die Verfassung selbst aufzähle, wo ein Akt der Gesetz-
gebung (Zustimmung vom Landtag) nöthig sei, so müssten Dinge
dem Verordnungswege verblieben sein (S. 39), deren Zugehörig-
keit zur Kompetenz der Legislative in einer nunmehr über ein
halbes Jahrhundert währenden Staatspraxis niemals bestritten
ist, z. B. das Privatrecht. Ich gelange mithin zu Konsequenzen,
welche (8. 40) der zu ihnen hinführenden Theorie „jeden Rest
von Ueberzeugungskraft rauben und für diese geradezu ver-
nichtend wirken“. Nun bemerkt Anschürz, dass auch ich
zugebe, das Allgemeine Landrecht, die Gerichtsordnung u. s. w.
können nicht durch blosse Verordnung beseitigt werden, zu
Unrecht folgere ich dies aber aus Art. 86. Hier bedeute Gesetz
„jede Rechtsnorm“. Ich müsste zu dem Schluss kommen, dass