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auch die „selbständige Verordnung“ (S. 42) für den Richter
Rechtssatz sei. „Es sei schlechthin unerfindlich, wie der juristische
Verstand sich eine legale, aber für den Richter unberechtigte
Rechtsverordnung vorstellen soll.“ So würde ich (8. 43) zu
Schlüssen gedrängt, welche dem selbstverständlichen Sinne der
Verfassung und jedenfalls der Praxis zuwiderlaufen, so führe der
Weg, auf welchem ich diesen Konsequenzen ausweichen wolle,
mich rettungslos in die Arme der von mir grundsätzlich be-
kämpften Meinung. Ebenso wie mit dem Privatrecht stehe es
mit dem Civilprozess- und Strafprozessrecht, welche der Ver-
ordnungsgewalt nicht in einer ausdrücklichen Verfassungsvorschrift
entzogen seien. Wäre meine Theorie richtig, so hätten die
königlichen Verordnungen wegen Aufhebung der Verpflichtung
zur Hilfsleistung bei Räumung des Schnees von Uhausseen vom
6. Jan. 1849, betreffend die Errichtung von Gewerberäthen
u. s. w. vom 9. Febr. 1849 und betreffend Abänderung der
Depositalordnung nicht als Nothverordnungen auf Grund Art. 105
der Verfassung, sondern nur als einfache königliche Verordnungen
zu ergehen brauchen. E. MAYER gestehe mir zu Unrecht zu
(S. 52), dass „Gesetz“ und „gesetzgebende Gewalt“ im Art. 62
nicht die materielle, sondern die formelle Seite des Gesetzes-
begriffes treffen wolle. Nachdem AnschüTz die Theorien noch
von GNEIST, ZORN und BORNHAK bekämpft hat (S. 54 ff.), eitirt
er Bemerkungen von REICHENSPERGER bei Berathung des heutigen
Art. 48 (Staatsverträge), von STAHL bei Berathung des heutigen
Art. 63 (Nothverordnungsrecht), um darzuthun, dass die Unzu-
lässigkeit von Rechtsverordnungen praeter legem schon von allen
Parteien der Revisionskammer anerkannt gewesen sei (S. 78),
nur v. DAnIELS habe aus Irrthum eine abweichende Meinung
geäussert. Im Jahre 1869 habe selbst der Minister Graf
zu EULENBURG im Herrenhause anerkannt, dass, wenn in dem ma-
teriellen Umfange der Regierungsrechte etwas geändert werden
solle, dies nur im Wege der Gesetzgebung geschehen dürfe. Im