Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

— 343 
Art. 5 Tautologien. Möge der eine Absatz immerhin auf- 
zählen, wer die gesetzgebenden Faktoren seien, so müsse der 
andere Absatz bedeuten, dass gesetzgebende Gewalt oder Gesetz- 
gebung die Befugniss, Rechtssätze aufzustellen, bedeute. Da die 
Delegation der Befugniss, Rechtssätze aufzustellen, nur speziell 
und ausdrücklich in einem Gesetze erfolgen könne, so sei eine 
Subdelegation unstatthaft. Verordnungen, die dem Kaiser 
oder dem König durch Verfassung oder Gesetz aufgetragen seien, 
dürfen daher bei Vermeidung der Nichtigkeit nicht vom Reichs- 
kanzler oder einem Minister ergehen. Aus dem gleichen Grunde 
sei anzunehmen, dass die preussische Verfassung, und ganz 
gewiss die Reichsverfassung, keine allgemeine Delegation der 
Befugniss, Rechtsverordnungen zu erlassen, kenne; die Reichs- 
verfassung schliesse eine solche Annahme ausdrücklich aus, da 
sie dem Bundesrath nur (in Art. 7 Ziff. 2) die Befugniss g&be, 
Verwaltungsvorschriften (also nicht Rechtsvorschriften) zu 
erlassen. Rechtsverordnungen seien im Sinne der Verfassung. 
namentlich auch des Art. 2 R.-Verf., Gesetze, woraus sich 
ergebe, dass sie bei Vermeidung der Ungültigkeit kraft ver- 
fassungsrechtlicher Vorschrift wie Gesetze, also im Reiche im 
Reichsgesetzblatt verkündet werden müssen. 
Aus diesen Ansichten folgte, dass so ziemlich alle damals 
vorhandenen Reichsverordnungen als ungültig erklärt werden 
mussten!, z. B. die so ungeheuer wichtigen, die Grundlage des 
Personen- und Güterverkehrs, der Konstruktion, des Signalwesens, 
der Sicherung und des Betriebes der Eisenbahnen bildenden 
Bundesraths-Verordnungen, einmal, weil sie, obwohl Rechts- 
normen enthaltend, nicht von der Gesetzgebung erlassen seien, 
sodann, weil zu ihrem Erlasse das Reich überhaupt nicht zu- 
ständig sei, und endlich, weil sie grossentheils und anfänglich 
! Vgl. namentlich A. HäneL, Die organisatorische Entwickelung der 
deutschen Reichsverfassung, Leipzig 1880,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.