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überhaupt nicht im Reichgesetzblatt? bekannt gemacht seien;
ferner die Post- und Telegraphenordnungen, letztere, weil es sogar
an jedem Gesetze fehle, zu dem sie als Ausführungsverordnungen
gelten könnten, beide ferner, weil sie vom Kanzler (Staats-
sekretär, Minister), nicht vom Kaiser erlassen und "nicht im
Reichsgesetzblatt verkündet seien. Die gleiche Nichtigkeit müsste
nach dieser Theorie auch der Wehrordnung, allen den Regula-
tiven des Bundesraths in Zoll- und Steuersachen, über Begleit-
scheinverfahren, Behandlung und Bedingungen von Zoll- und
Transitlägern, Denaturirung von Salz u. s. w. u. s. w. anhaften,
endlich der Schiffsvermessungsordnung u. s. w.
Im Gebiete des preussischen Rechts müssten als nichtig
gelten fast alle das Unterrichtswesen regelnden Vorschriften,
die StienL’schen und die FALk’schen Schulregulative, die Uni-
versitätsstatuten, das Recht der Gymnasien, Realschulen, Semi-
narien, alle die Prüfungsvorschriften für Lehrer und Lernende;
die Disziplinarstrafvorschriften, die Verpflegungs-, Hinterbliebenen-,
Versorgungs-, Kantonirungs-, Ehrengerichts- Vorschriften für das
Heer und die Marine u. s. w. u. s. w.
Gegen diesen ganzen Kreis von Anschauungen erhob meine
Schrift überall Widerspruch:
Die Lehre der Gewaltentheilung sei falsch verstanden und
gelte (in etwas anderer Ausführung als in England und Frank-
reich) auch im Deutschen Reiche und in Preussen?. Gesetzgebende
Gewalt sei nicht Gewalt, Rechtsnormen aufzustellen, sondern die
höchste Gewalt im Staate, nämlich die Befugniss, die höchsten,
die Jedermann, auch die Gerichte, unbedingt verbindenden
® Dass sie später nicht mehr im Reichs-Centralblatt, sondern im Reichs-
gesetzblatt bekannt gemacht wurden, ist nicht dem Einflusse oder Ansehen
der Theorie (Lasann, Häner, G. MEYER, H. ScHuLze u. s w.), sondern nur
dem thatsächlichen Umstande zuzuschreiben, dass die Gerichte meist nur
das Gesetz-, nicht das Oentralblatt besitzen.
3 Verordnungsrecht S.7ff., Reichsverfassung 8. 101 und an verschiedenen
Stellen meiner Anmerkungen zur preussischen Verfassung.