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Anordnungen, gleichviel welchen Inhalts, zu treffen. Diese
höchste Gewalt habe im absoluten Preussen der Krone zuge-
standen. Art. 62 der preussischen Verfassung gebe sie fortan dem
Könige nur noch in Gemeinschaft mit den Kammern. Im vor-
konstitutionellen Preussen sei Gesetz nicht gleich Rechtsnorm
gewesen; die ungeheure Mehrzahl der Rechtsnormen sei von den
Ministern, Regierungen, Oberbergämtern, Ortspolizeibehörden
erlassen und keineswegs als Gesetze bezeichnet gewesen, vielmehr
stets betont worden, dass sie mit den „Gesetzen“, d.h. den
königlichen Verordnungen, nichtin Widerspruch treten
dürfen. Wo die Verfassung nach Sinn oder Wortlaut kein
Gesetz fordere, könne die Krone, die alle ihr nicht entzogenen
Befugnisse bewahrt habe, noch selbständige Normen aufstellen
bezw. aufstellen lassen: namentlich im Unterrichtswesen (so lange
bis das in Aussicht gestellte allgemeine Unterrichtsgesetz ergangen
ist), im Militär-, Telegraphen-, Post-, Eisenbahnwesen. Es dürfe
sich dabei allerdings nicht um gerichtliche Strafen handeln, denn
diese dürfen wegen Art. 8 nur gemäss einem Gesetze ergehen,
überhaupt nicht um Beeinträchtigung der Grundrechte; denn
hier schliesse die Verfassung überall den Verordnungsweg aus
(Art. 5 ff.), auch nicht nur Gegenstände, die zur unmittelbaren
Anwendung durch die Gerichte bestimmt seien (Civil- und Straf-
recht, Civil- und Strafprozess), weil 'nach Art. 86 der Richter
nur der Autorität des Gesetzes unterworfen und die gerichtliche
und vollziehende Gewalt von einander getrennt seien. Sowohl
die preussische wie die Reichsverfassung kennen und lassen zu,
so wurde weiter ausgeführt, in Art. 45 und bzw. 7 Abs. 2 eine
allgemeine Delegation des (Ausführungs-) Verordnungsrechts
intra legem. Verwaltungsvorschriften im Sinne der Reichsver-
fassung seien in Uebereinstimmung mit dem überlieferten Sprach-
gebrauch des französisch-belgischen Rechts, der deutschen Bundes-
staaten, namentlich der Zollvereinigungsverträge und Steuer-
gesetze, dem Sprachgebrauche der Lehre von der Gewaltentrennung,