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Uebrigen aber verliert sich die Untersuchung in eine höchst ver-
wickelte, wenn auch scharfsinnige Logik. Am Ende ist es doch
einerlei, ob man einen Rechtssatz des in einer Gesetzgebung ent-
haltenen internationalen Privatrechts in eine der von einem ein-
zelnen Schriftsteller ausgedachten künstlichen, wenn auch logisch
richtigen Kategorien einschachtelt oder nicht, falls man ihn nur
richtig interpretirt. Und eine unbefangene Interpretation dürfte
in den meisten Fällen weit leichter sein als die richtige Ein-
reihung des einzelnen Rechtssatzes in die künstlichen Kategorien,
deren Benutzung ZITELMANN’s scholastisches System von uns
verlangt. Die Benützung der Grundeintheilung in Anwendungs-
und Kollisionsnormen ist ja schon eine höchst schwierige, jeden-
falls eine höchst schwierige, wenn man nicht ZITELMANN’S äusserst
gewagten Behauptungen über Inhalt und Tragweite des von ihm
so genannten überstaatlichen internationalen Privatrechts auf das
Wort glauben will.
Nur Folgendes ist wohl zu beachten. Der Gesetzgeber kann
Normen geben nur über Fälle, in denen er das eigene Landes-
recht angewendet wissen will; der Richter behält dann freie Hand
für die übrigen Fälle, in denen also inländisches Recht nicht
obligatorisch ist, das massgebende Territorialrecht aufzusuchen,
allerdings nicht nach einem willkürlieh freien Ermessen, aber
nach der Natur der Sache, möglicher Weise auch unter Berück-
sichtigung des Umstandes, ob eine bestimmte andere Gesetz-
gebung diesen Fall für ihren Bereich in Anspruch nimmt oder
nicht. Der Gesetzgeber kann aber auch Normen geben, nach
denen er den Richter direkt verpflichtet, nach Massgabe dieses
und jenes Umstandes diese und bezw. jene bestimmte Gesetz-
gebung anzuwenden, und entweder diese oder jene Gesetz-
gebung anzuwenden ohne Rücksicht darauf, ob die betreffende
auswärtige Gesetzgebung selbst angewendet sein will oder mit
Berücksichtigung dieses Umstandes, und je nach der verschiedenen
Bedeutung, welche man einem das internationale Privatrecht be-