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stets im formellen Sinne aufgefasst wurde; in Gemässheit des
Gesetzes hiess soviel wie in Gemässheit eines formellen
Gesetzes. Unerfindlich ist, was AnscHüTz mit der Entscheidung
des Oberverwaltungsgerichts (Bd. XVI S. 54) beweisen will, wo-
nach ein Gemeindestatut nicht die auf Gewohnheitsrecht
beruhende Pflicht zur Tragung der Pflasterungskosten ändern kann.
Denn ein Gemeindestatut kann doch nicht bestehende Rechts-
normen aufheben; es ist kein formelles Gesetz, und noch we-
niger kann die Kostenfrage bei Pflasterungen Inhalt einer
polizeilichen Vorschrift auf Grund des Polizeiverwaltungs- oder
eines anderen Gesetzes sein. Die Begründung der herrschenden Lehre
von Seiten AHnscHüTz durch die Tautologie allein aus dem
ersten Satze des Art. 62 und durch den Sprachgebrauch darf ich
hiernach als verfehlt und widerlegt bezeichnen und weiter folgern:
die preussische Verfassung schliesst durch Art. 62 den Erlass
selbständiger Rechtsverordnungen nicht aus. Nun, so wendet An-
SCHÜTZ ein, dann könnte das Civil-, das Civilprozess- und das
Strafprozessrecht nach dieser ARNDT’schen Theorie im Verord-
nungswege geändert werden. Mit Nichten. Es kann nicht wegen
Art. 86 verändert werden. ANscHÜTZz missversteht mit derselben
Energie diesen Artikel wie den Art. 8. Art. 86, so sagt er
S. 33, 41, unterwirft doch den Richter „nicht nur der Auto-
rität des formellen Gesetzes, sondern der des wirklich geltenden
Rechts, also insbesondere jeder gültig erlassenen Polizeiverordnung,
ortsstatutarischen Vorschrift oder sonstigen autonomischen Satz-
ung“ — sei denn die „rechtsgültig zu Stande gekommene Polizei-
verordnung für den preussischen Richter kein Gesetz?“ An-
SCHÜTZ verwechselt Zweierlei: ob der Richter eine Verordnung
anwenden muss, wenn er sie für gesetzmässig hält, oder ob
der Richter der Autorität einer Verordnung (oder nur der
des delegirenden Gesetzes) unterworfen ist. Art. 86 besagt nicht,
dass der Richter nur formelle Gesetze anwenden darf, er besagt,
dass er nur der Autorität des formellen Gesetzes unter-