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mich für diese Behauptung“, erklärt er, „auf eine, wie ich glaube,
ausreichende Erfahrung. Ich habe nahezu 1000 kontradiktorischen
mündlichen Verhandlungen als Richter beigewohnt und in allen,
in denen ich nicht als Referent auf Grund der mir vorher zugäng-
lich gemachten Akten ausreichende Notizen besass, solche in der
Sitzung für mich gemacht. Gleicherweise verfuhr der zweite Bei-
sitzer der Civiilkammer. Dadurch wurden Zweifel über das Vor-
getragene nahezu ausgeschlossen“. Demgegenüber erklärt Bäur'’”,
er habe das nie gekonnt und sei doch auch kein ganz schlechter
Richter gewesen. Er habe immer gefunden, dass man einer fort-
fliessenden Rede gegenüber zwar einzelne Schlagworte, Zahlen
notiren, nicht aber auch Aufzeichnungen machen könne, wie sie
für die Anfertigung eines guten Thatbestandes, jedenfalls in einer
nicht ganz einfachen Sache, nothwendig seien.
Diese Aufzeichnung von Stichworten ist aber für das Ver-
ständniss des Vorgetragenen fruchtbarer, als das stenographische
Nachschreiben, welches leicht eine rein mechanische Thätigkeit
wird, und bei dem die Ueberlegung dann zu kurz kommt. Wer
mit Verständniss Stichworte niederschreibt, wird in der Regel
aus der mündlichen Verhandlung einen ganz anderen Gewinn
davontragen, als wer die ganzen Vorträge der Parteien wörtlich
niedergeschrieben hat. Der Erstere lässt den Eindruck der münd-
lichen Verhandlung unmittelbar auf sich wirken, während der
Letztere dieses Eindrucks zum grössten Theil verlustig geht.
(Gute Notizen lassen sich natürlich um so besser machen, je
lebendiger die mündliche Verhandlung sich gestaltet und je mehr
die Parteien Werth darauf legen, dem Gericht den ganzen Fall
geradezu plastisch vorzuführen. Beschränkt sich der Vortrag der
Parteien auf ein Ablesen der Schriftsätze, dann sind Notizen
schon wegen der Schnelligkeit des Vortrages schwer zu machen,
aber auch nicht nothwendig. Es genügt, Notizen zu machen,
17 Jahrb. f. Dogmatik Bd. XXIV 8. 369.