Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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schriftlich festgestellt werde, Ein solcher Vorschlag muss eben 
von vornherein an seiner Undurchführbarkeit scheitern. Denn auf 
den Gedanken, im Strafverfahren schon vorher auf Grund der Akten 
einen Thatbestand zu entwerfen, wird wohl Niemand kommen. 
Die praktische Unmöglichkeit einer genauen schriftlichen 
Feststellung des Thatbestandes unmittelbar nach der Verhand- 
lung schliesst aber nicht aus, dass dennoch gleich nach der Ver- 
handlung der Sache oder vielmehr am Schlusse der Sitzung das 
Gericht in die Berathung über die Sache eintritt und den That- 
bestand in grossen Zügen feststellt. Ein solches Verfahren ist 
bei manchen Gerichten?!, welche die Verkündung der Entscheidung 
auszusetzen pflegen, üblich. Ich muss aber der Aussetzung der 
Berathung den Vorzug vor dieser Art von Berathung geben. 
Wird die Berathung an einem späteren Tage abgehalten, so treten 
die Mitglieder des Gerichts mit ganz anderer geistiger Frische 
an die Berathung heran, als wenn die Berathung am Sitzungs- 
tage selbst stattfindet. Eine provisorische Berathung am Schluss 
der Sitzung nimmt unter dem Einfluss der Abspannung gar zu 
leicht einen oberflächlichen Charakter an und hat dann gar keinen 
Werth. Dadurch wird der theoretische Vortheil, welchen die 
Abhaltung der Berathung unter dem Eindruck der mündlichen Ver- 
handlung haben soll, in der Regel mehr als aufgewogen. Nach 
einer Sitzung, welche bei den grösseren deutschen Landgerichten 
kaum von weniger als vierstündiger Dauer ist, oft, wie z. B. in Ham- 
burg, bis zu sechs und sieben Stunden dauert, ermangeln die mei- 
sten Richter der geistigen Frische, welche nothwendig ist, um über 
schwierige That- und Rechtsfragen in gründlicher Weise berathen 
zu können. Auch wenn die Sache durch das Referat noch so 
eingehend vorbereitet ist, kann eine übereilte Entscheidung zu 
Stande kommen, an welcher, da sie bereits verkündet ist, nichts 
mehr zu ändern ist. 
31 7. B. beim Hamburger Landgericht.
	        
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