Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Die Aussetzung der Berathung und Verkündung der Ent- 
scheidung hat noch einen weiteren wesentlichen Vortheil, den 
ich nicht gering schätze. Wo es üblich ist, die Verkündung der 
Entscheidung auszusetzen, wird regelmässig die Entscheidung 
nicht eher verkündet, als bis die Urtheilsgründe schriftlich fest- 
gestellt und von den sämmtlichen Richtern geprüft und unterschrie- 
ben sind. Ist es dem Urtheilsfasser aus irgend einem Grunde nicht 
möglich gewesen, die Abfassung der Gründe bis zum Publikations- 
termin fertigzustellen, z. B. wegen allzu grossen Umfangs der 
Sache, oder weil nach der Berathung neue Bedenken auftreten, 
so wird die Verkündung, da die Vorschrift des & 310 C.-P.-O. nur 
instruktionelle Bedeutung hat, gewöhnlich um eine weitere Woche 
ausgesetzt, auch wenn das Gericht sich an dem zunächst für die 
Verkündung festgetzten Termin über den Inhalt und die Gründe 
der Entscheidung schon ganz klar ist. Für das Strafverfahren 
ist im $ 267 St.-P.-O. ausdrücklich vorgeschrieben, dass wenn 
die Verkündung des Urtheils ausgesetzt war, die Urtheilsgründe 
vor derselben schriftlich festzustellen sind. Eine solche Vor- 
‚schrift fehlt in der Civilprozessordnung, im Gegentheil geht 8 315 
von der Auffassung aus, dass die Urtheile bei der Verkündung 
nicht immer vollständig abgefasst sind. 
Für die Rechtsprechung würde es aber von segensreicher 
Wirkung sein, wenn bestimmt würde, dass in Civilsachen, wenig- 
stens im landgerichtlichen Verfahren, die Verkündung der Urtheile 
nicht nur die schriftliche Feststellung der Urtheilsformel, sondern 
auch diejenige der Entscheidungsgründe zur Voraussetzung haben 
muss. Damit würde allerdings die sofortige Verkündung der 
Urtheile vom Stuhl unmöglich gemacht werden, und insofern 
steht mein Vorschlag in direktem Gegensatz zu dem in der Reichs- 
tagskommission gestellten Antrag. Aber es würde dann vermuth- 
lich auch das gefährliche Referat alsbald verschwinden. Zur Be- 
gründung meines Vorschlags berufe ich mich gerade auf das 
Hauptmoment, welches die Befürworter des schriftlichen Referats,
	        
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