— 408 --
Die Aussetzung der Berathung und Verkündung der Ent-
scheidung hat noch einen weiteren wesentlichen Vortheil, den
ich nicht gering schätze. Wo es üblich ist, die Verkündung der
Entscheidung auszusetzen, wird regelmässig die Entscheidung
nicht eher verkündet, als bis die Urtheilsgründe schriftlich fest-
gestellt und von den sämmtlichen Richtern geprüft und unterschrie-
ben sind. Ist es dem Urtheilsfasser aus irgend einem Grunde nicht
möglich gewesen, die Abfassung der Gründe bis zum Publikations-
termin fertigzustellen, z. B. wegen allzu grossen Umfangs der
Sache, oder weil nach der Berathung neue Bedenken auftreten,
so wird die Verkündung, da die Vorschrift des & 310 C.-P.-O. nur
instruktionelle Bedeutung hat, gewöhnlich um eine weitere Woche
ausgesetzt, auch wenn das Gericht sich an dem zunächst für die
Verkündung festgetzten Termin über den Inhalt und die Gründe
der Entscheidung schon ganz klar ist. Für das Strafverfahren
ist im $ 267 St.-P.-O. ausdrücklich vorgeschrieben, dass wenn
die Verkündung des Urtheils ausgesetzt war, die Urtheilsgründe
vor derselben schriftlich festzustellen sind. Eine solche Vor-
‚schrift fehlt in der Civilprozessordnung, im Gegentheil geht 8 315
von der Auffassung aus, dass die Urtheile bei der Verkündung
nicht immer vollständig abgefasst sind.
Für die Rechtsprechung würde es aber von segensreicher
Wirkung sein, wenn bestimmt würde, dass in Civilsachen, wenig-
stens im landgerichtlichen Verfahren, die Verkündung der Urtheile
nicht nur die schriftliche Feststellung der Urtheilsformel, sondern
auch diejenige der Entscheidungsgründe zur Voraussetzung haben
muss. Damit würde allerdings die sofortige Verkündung der
Urtheile vom Stuhl unmöglich gemacht werden, und insofern
steht mein Vorschlag in direktem Gegensatz zu dem in der Reichs-
tagskommission gestellten Antrag. Aber es würde dann vermuth-
lich auch das gefährliche Referat alsbald verschwinden. Zur Be-
gründung meines Vorschlags berufe ich mich gerade auf das
Hauptmoment, welches die Befürworter des schriftlichen Referats,