Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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sich die nöthige Zeit zur ruhigen Ueberlegung der Entscheidung 
gönnen. Es kommt hinzu, dass das Fehlen von Schriftsätzen im 
amtsgerichtlichen Prozess häufig die Vorbereitung unmöglich 
macht, welche auch in diesem Verfahren das Kortelat der so- 
fortigen Verkündung der Entscheidung sein muss. Selbst bei 
verhältnissmässig einfachen Sachen wird nicht jeder Richter gleich- 
mässig im Stande sein, ein Sachverhältniss gleich richtig aufzu- 
fassen und unter die richtigen Gesetzesbestimmungen zu sub- 
sumiren. Er braucht noch längst kein untüchtiger Richter zu 
sein, wenn er es vorzieht, sich die Sache noch einmal in Ruhe 
zu überlegen und erst nach Ablauf der einwöchentlichen Frist 
das Urtheil zu verkünden. Im Gegentheil wird der gewissenhafte 
Richter Bedenken tragen, in einer nicht ganz einfach liegenden 
Sache das Urtheil vom Stuhl zu sprechen. 
Mit Rücksicht auf die individuellen Unterschiede von Personen 
und auf die Freiheit, welche die Oivilprozessordnung dem Richter 
gewährt, muss es als durchaus unzulässig erscheinen, wenn, wie 
es hie und da geschieht, im Wege der Justizaufsicht ein Druck 
auf die Amtsgerichte im Sinne der Herbeiführung einer sofortigen 
Verkündung der Entscheidungen ausgeübt wird. Lässt sich auch 
die Fähigkeit, das Urtheil vom Stuhl zu sprechen, manchmal 
durch Uebung gewinnen, so darf diese Fähigkeit doch nicht auf 
Kosten der Rechtsprechung und des rechtssuchenden Publikums 
erkauft werden. Sie wird dann viel zu theuer erkauft, denn so 
gross ist der Werth der sofortigen Verkündung nicht, welche 
WacH® mit Recht als ein pomphaftes und höchst bedenkliches 
Gelüste bezeichnet hat. Dass die Rechtsprechung von einem 
solchen Druck keinen Vortbeil hat, ist sicher. Mir ist ein Fall 
bekannt, in welchem ein aus dem Osten nach dem Westen ver- 
setzter Präsident den Amtsrichtern die sofortige Verkündung der 
Eintscheidungen dringend an’s Herz legte. Das einstimmige Ur- 
24 Die C.-P.-O. und die Praxis S; 22,
	        
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