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sich die nöthige Zeit zur ruhigen Ueberlegung der Entscheidung
gönnen. Es kommt hinzu, dass das Fehlen von Schriftsätzen im
amtsgerichtlichen Prozess häufig die Vorbereitung unmöglich
macht, welche auch in diesem Verfahren das Kortelat der so-
fortigen Verkündung der Entscheidung sein muss. Selbst bei
verhältnissmässig einfachen Sachen wird nicht jeder Richter gleich-
mässig im Stande sein, ein Sachverhältniss gleich richtig aufzu-
fassen und unter die richtigen Gesetzesbestimmungen zu sub-
sumiren. Er braucht noch längst kein untüchtiger Richter zu
sein, wenn er es vorzieht, sich die Sache noch einmal in Ruhe
zu überlegen und erst nach Ablauf der einwöchentlichen Frist
das Urtheil zu verkünden. Im Gegentheil wird der gewissenhafte
Richter Bedenken tragen, in einer nicht ganz einfach liegenden
Sache das Urtheil vom Stuhl zu sprechen.
Mit Rücksicht auf die individuellen Unterschiede von Personen
und auf die Freiheit, welche die Oivilprozessordnung dem Richter
gewährt, muss es als durchaus unzulässig erscheinen, wenn, wie
es hie und da geschieht, im Wege der Justizaufsicht ein Druck
auf die Amtsgerichte im Sinne der Herbeiführung einer sofortigen
Verkündung der Entscheidungen ausgeübt wird. Lässt sich auch
die Fähigkeit, das Urtheil vom Stuhl zu sprechen, manchmal
durch Uebung gewinnen, so darf diese Fähigkeit doch nicht auf
Kosten der Rechtsprechung und des rechtssuchenden Publikums
erkauft werden. Sie wird dann viel zu theuer erkauft, denn so
gross ist der Werth der sofortigen Verkündung nicht, welche
WacH® mit Recht als ein pomphaftes und höchst bedenkliches
Gelüste bezeichnet hat. Dass die Rechtsprechung von einem
solchen Druck keinen Vortbeil hat, ist sicher. Mir ist ein Fall
bekannt, in welchem ein aus dem Osten nach dem Westen ver-
setzter Präsident den Amtsrichtern die sofortige Verkündung der
Eintscheidungen dringend an’s Herz legte. Das einstimmige Ur-
24 Die C.-P.-O. und die Praxis S; 22,