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Gegentheil umschlägt. Dass unsere juristische Gesetzessprache
durch diese Reinigungsbestrebungen unendlich gewonnen hat, lässt
sich nicht in Abrede stellen. Wer z. B. jemals die ersten Ent-
würfe des preussischen Landrechts, den Versuch des Corpus juris
Fridericianum in Händen gehabt hat, der wird gestaunt haben
über dieses wüste Durcheinander lateinischer Wendungen, fran-
zösischer Fremdwörter und deutschen Satzgefüges. Man gewinnt
den Eindruck, dass es dem Juristen der damaligen Zeit sehr
schwer fiel, juristische Dinge überhaupt deutsch auszudrücken.
Ganze Phrasen sind unmittelbar in lateinischer Sprache gegeben.
Während das Allgemeine Landrecht für die preussischen Staaten
im Grossen und Ganzen in reiner, möglichst allgemeinverständ-
licher Sprache abgefasst ist, finden sich noch in der preussischen
Allgemeinen Gerichtsordnung vielfach lateinische Ausdrücke und
Wendungen. Da ist noch von Verfahren „in contumaciam“ die Rede,
von „species facti*, „exceptio litis finitae“, „status causae et con-
troversiae®, „bürgerliche Sachen“ werden in Klammern durch den
Zusatz „causae civiles* erläutert, Vernehmung von Zeugen „an
Ort und Stelle* durch „in rem praesentem“ u. dgl., ganz ab-
gesehen von den zahlreichen übernommenen Fremdwörtern, wie
Litisdenunziation, Adcitation, Prorogation, Insinuation u. s. w.
Die Möglichkeit, diese rechtlichen Kunstausdrücke jetzt zum
grössten Theil deutsch wiedergeben zu können, haben wir erst
durch die sprachliche Entwicklung einer langen Reihe von Jahren
gewonnen. Es ist in der That ein ungeheurer Fortschritt im
Laufe wenig mehr als eines Jahrhunderts von den Anfängen der
neueren Kodifikationen bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch, das
nur noch eine ganz geringe Zahl von fremdsprachlichen Kunst-
ausdrücken, wie Testament, Legitimation, Inventar, Konkurs
u. 8. w. kennt.
Aber auch in voller Anerkennung dieser erfreulichen That-
sache müssen wir schon von diesem zunächst in’s Auge gefassten
rein sprachlichen Standpunkt einige Grenzen ziehen, Der un-