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Die finnische Frage.
Ein Gutachten.
Der seit dem Anfang des Jahres 1899 durch die An-
ordnungen der russischen Regierung in Finnland entstandene
Konflikt hat das Interesse ganz Europas erregt und seine Auf-
merksamkeit auf das Rechtsverhältniss zwischen Russland und
Finnland gerichtet. Auch die Unterzeichneten sind der Meinung,
dass nicht nur die politischen Interessen der eigentlichen Par-
teien, sondern auch Rechtsfragen allgemeinster Natur und ent-
scheidenden Werthes mit einbegriffen sind. Desshalb scheuen
sie nicht, nach Erwägung aller Gründe in der Form eines Kol-
lektivgutachtens ihr Urtheil über die Hauptfragen zu veröffent-
lichen.
I.
Erstens ist es nach ihrer Ansicht unzweifelhaft, dass Kaiser
Alexander I. nach Finnlands Eroberung durch die russischen
Waffen im Jahre 1808 und vor Schwedens formeller Abtretung
durch den Friedensschluss von Frederikshamn am 5.—17. Sep-
tember 1809 Finnland nicht nur seine früheren privatrechtlichen
Gesetze, sondern nicht weniger positiv seine politischen Rechte
und konstitutionellen Einrichtungen gewährt und zugesichert hat.
Durch diese eigenmächtige That des russischen Alleinherrschers
wurden u. A. die schwedischen konstitutionellen Gesetze vom
21. August 1772 (Verfassung) und 3. April 1709 (Einheits- und
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