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wird. Es ist in manchen Hinsichten verschieden von der recht-
lichen Stellung einer Provinz, selbst in denjenigen Staaten, welche
ihren Theilen den höchsten Grad der Autonomie zuerkennen. Den-
noch scheint der Unterschied blos graduell, weil man die meisten
erwähnten Kennzeichen auch mehr oder weniger in einer auto-
nomen Provinz finden kann. Auch diese hat ein bestimmtes Gebiet,
eigene Insassen, eine verhältnissmässig selbstständige Verwaltung
mit eigener Verordnungsgewalt und selbstständigen Organen. —
Es giebt aber einen prinzipiellen Unterschied, der absolut ver-
bietet, Finnland als Provinz zu betrachten. In einer Provinz,
sogar mit dem höchsten Grad der Autonomie bekleidet, ist die
Provinzialgewalt, entweder in Gesetzgebung oder Verwaltung, nie
die höchste oder Obergewalt, sondern die Uentral- oder Reichs-
gewalt übt selbst unmittelbar eine höhere, d. i. eine mit stärkeren
Zwangsmitteln ausgerüstete Macht über die Einwohner aus; in
Fällen des Widerspruchs oder sogar des Zweifels schulden die
Einwohner der letzteren höheren Gewalt einen höheren Grad des
Gehorsams und können von der niederen an die höhere appelliren.
Dieses ist nun in Finnland ausgeschlossen. Den höchsten
Grad der Verpflichtbarkeit besitzt daselbst das Gesetz, entstanden
aus der Uebereinstimmung zwischen dem Kaiser-Grossfürsten und
dem Reichstag. Keine weltliche Macht kann es, falls nicht in
gleicher Weise geändert oder aufgehoben, entkräften oder auflösen.
Zwar ist dieser höchste Gesetzgeber Verpflichtungen unterworfen,
die dem eigenthümlichen Verhältnisse entspringen, das zwischen
Russland und Finnland besteht, aber diese Verpflichtungen können
nie den Unterthan verbinden, wenn sie nicht von seiner recht-
mässigen Regierung anerkannt und in bindender Form vor-
geschrieben worden sind. Einige sprechen diese Wahrheit aus in
dem Satz, dass Finnland selbst Subjekt der Staatsgewalt ist. Den
Unterzeichneten scheint es aber genauer und einfacher, zu be-
haupten, dass für die Einwohner keine andere rechtlichen Ver-
pflichtungen bestehen, als diejenige, welche aus regelmässigen