Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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wird. Es ist in manchen Hinsichten verschieden von der recht- 
lichen Stellung einer Provinz, selbst in denjenigen Staaten, welche 
ihren Theilen den höchsten Grad der Autonomie zuerkennen. Den- 
noch scheint der Unterschied blos graduell, weil man die meisten 
erwähnten Kennzeichen auch mehr oder weniger in einer auto- 
nomen Provinz finden kann. Auch diese hat ein bestimmtes Gebiet, 
eigene Insassen, eine verhältnissmässig selbstständige Verwaltung 
mit eigener Verordnungsgewalt und selbstständigen Organen. — 
Es giebt aber einen prinzipiellen Unterschied, der absolut ver- 
bietet, Finnland als Provinz zu betrachten. In einer Provinz, 
sogar mit dem höchsten Grad der Autonomie bekleidet, ist die 
Provinzialgewalt, entweder in Gesetzgebung oder Verwaltung, nie 
die höchste oder Obergewalt, sondern die Uentral- oder Reichs- 
gewalt übt selbst unmittelbar eine höhere, d. i. eine mit stärkeren 
Zwangsmitteln ausgerüstete Macht über die Einwohner aus; in 
Fällen des Widerspruchs oder sogar des Zweifels schulden die 
Einwohner der letzteren höheren Gewalt einen höheren Grad des 
Gehorsams und können von der niederen an die höhere appelliren. 
Dieses ist nun in Finnland ausgeschlossen. Den höchsten 
Grad der Verpflichtbarkeit besitzt daselbst das Gesetz, entstanden 
aus der Uebereinstimmung zwischen dem Kaiser-Grossfürsten und 
dem Reichstag. Keine weltliche Macht kann es, falls nicht in 
gleicher Weise geändert oder aufgehoben, entkräften oder auflösen. 
Zwar ist dieser höchste Gesetzgeber Verpflichtungen unterworfen, 
die dem eigenthümlichen Verhältnisse entspringen, das zwischen 
Russland und Finnland besteht, aber diese Verpflichtungen können 
nie den Unterthan verbinden, wenn sie nicht von seiner recht- 
mässigen Regierung anerkannt und in bindender Form vor- 
geschrieben worden sind. Einige sprechen diese Wahrheit aus in 
dem Satz, dass Finnland selbst Subjekt der Staatsgewalt ist. Den 
Unterzeichneten scheint es aber genauer und einfacher, zu be- 
haupten, dass für die Einwohner keine andere rechtlichen Ver- 
pflichtungen bestehen, als diejenige, welche aus regelmässigen
	        
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