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Es fehlen ihm die Mitgliedschaftsrechte, die den Gliedstaaten
eigen sind; aber im Uebrigen vertritt es für seinen Theil des
darin, dass das „Herrschaftssubjekt“ dieses Neben- oder Vassallenstaates der
„Oberstaat“ selbst ist. Als solches wäre er also am Ende „von sich selbst
abhängig“ (Rrum a. a. O. S. 168)? So scheint uns die Sache nicht zu liegen.
Was abhängig ist vom „Oberstaat“ und Gegenstand seiner oberstaatlichen
Herrschaft, das ist das Land Elsass-Lothringen; dass der Oberstaat die Aus-
übung der zu diesem Land gehörigen Staatsgewalt in seiner Hand behält
und die Träger dafür bestimmt und leitet, das ist die Form, in welcher die
oberstaatliche Herrschaft zum Ausdruck kommt. Das Reich macht sich da-
durch bei Leibe nicht zum Objekt seiner Obergewalt. Objekt ist in solchem
Verhältniss immer nur das bier stark beeinträchtigte Subjekt der Unter-
gewalt, das Reichsland. Resum meint (S. 167), es sind „Ansätze zu einer
eigenen Staatspersönlichkeit auch in Elsass-Lothringen da“, namentlich
„durch das Organ des Landesausschusses“. Wir möchten das lieber nennen:
Ansätze zu einem Freiwerden der durch die Reichsgewalt erdrückten Persön-
lichkeit Elsass-Lothringens, die von selbst Staatspersönlichkeit sein wird,
sobald der Sequester ihrer Staatsgewalt sich löst. — Eine ganz eigenartige
Formulirung gibt für diese abgeschwächte Staatspersönlichkeit Elsass-Loth-
ringens LABann, Staatsrecht Bd. I S. 695ff.: Elsass-Lothringen ist ein Ver-
waltungsbezirk des Reichs; es giebt aber einen elsass-lothringischen Landes-
fiskus, d. h. Elsass-Lothringen ist kein „Staat als Subjekt von obrigkeitlichen
Hobheitsrechten“, sondern nur ein „Staat als Subjekt von Vermögensrechten,
d. h. als Fiskus“. Hänen, Staatsrecht S. 634, will diesen Fiskus sogar nur
als eine Fiktion gelten lassen; von dieser sachlich ganz bedeutungslosen
Variante können wir absehen. Die Mangelhaftigkeit Elsass-Lothringens so
zu erklären, dass es ein Fiskus ist, aber kein Staat, hat den grossen Vortheil
sich anzulehnen an einen wohlbekannten festen Rechtsbegriff. Denn was der
Fiskus ist, dieser „gewöhnliche Privatmann“, der namentlich in der älteren
preussischen Theorie neben den „eigentlichen Staat“ in so scharf ausgeprägten
Wechselbeziehungen sich stellt, das weiss man. Aber es will uns doch
dünken, in einer so ganz absonderlichen Rolle, wie er sie hier zu spielen hätte,
wären wir ihm noch niemals begegnet. Der Fiskus als besondere juristische
Person hatte nach polizeistaatlicher Auffassung den Staat zu ergänzen, indem
er namentlich die vermögensrechtlichen Folgen aus dessen Thun auf sich
nahm, für ihn, wie BORNHAK das einmal ausdrückt, als „Prügeljunge“ für die
Civilgerichte diente. Immer muss das aber doch „sein“ Staat sein, der
eigentliche Stgat für dasselbe Land und dasselbe Volk, für welches der
Fiskus vermögensrechtlicher Staat ist. Ein Verhältniss, in welchem das
Reich den Staat stellt und das Land Eisass-Lothringen den zugehörigen
Fiskus, würde uns nöthigen, den altbekannten Fiskusbegriff völlig umzudenken.