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gewalt entspricht, rechtlich vom Reiche zu lösen. Wir verfolgen
‚das nicht weiter?®,
Die Grundbedingung bleibt: der ganze Rechtszustand ist
eine Einrichtung des Reichs und von diesem jeder Zeit wider-
ruflich. Aber so lange er besteht, haben wir in Elsass-Lothringen
deutlich ausgeschieden: BReichsgesetzgebung und Landesgesetz-
gebung, Reichsverwaltung und Landesverwaltung u. s. w.; für
jene ist das Rechtsstbjekt das Reich, für diese das Land. Diese
Ausscheidung ist, wie gesagt, gemacht worden nach der ‚Reichs-
verfassung, also nach dem Muster der Gliedstaaten. Aber —
und das ist der Punkt, der uns hier beschäftigen muss — diese
Ausscheidung hat sich nicht streng nach dem Vorbild vollzogen.
Vielmehr sind dabei Verschiebungen eingetreten, Verschie-
bungen selbstverständlich zu Gunsten des Reichs. Denn Elsass-
Lothringen ist eben in Wirklichkeit doch kein Gliedstaat. Ein
eigenes Recht, wie die anderen, hatte es nicht. Es war lediglich
Zweckmässigkeit, dass man das gleichartig ordnete, und wo es
zweckmässig schien, wich man davon ab. Thatsächlich, ohne
besonderes Gesetz hat das Reich sich bei der Ausscheidung das
Eine und Andere zurückbehalten über das hinaus, was ihm
gegenüber selbständigen Staaten zustand. In mancherlei Be-
ziehung ist hier sein Theil öffentlicher Angelegenheiten, Geschäfte
und Wirksamkeiten grösser als anderswo.
28 Die ersehnte Gleichberechtigung werden die Elsass-Lothringer erst
erreichen, wenn ihr Land entweder einem deutschen Gliedstaate einverleibt
oder wenn es selber ein Staat geworden sein wird. Das Letztere setzt
voraus die volle Ausbildung einer vom Reiche getrennten Trägerschaft der
Staatsgewalt in Elsass-Lothringen; damit ist es aber nicht genug: so lange
das alles nur eine Einrichtung des Reichs ist, jederzeit zurücknehmbar im
Wege der Reichsgesetzgebung, ist Elsass-Lothringen im besten Falle nur
thatsächlich wie ein Staat behandelt, aber dem Rechte nach kein Staat.
"Wie wird die Erhebung zum Staate zu machen sein? Jedenfalls wird der
Vorgang ein völkerrechtliches Element enthalten müssen. Wir können hier
einigermaassen anknüpfen an den Gedankengang STÖBER's in Archiv f. öffentl.
Recht Bd. I S. 643ff.