— 546 —
darin eigenartige Schwierigkeiten für das Land Elsass-Lothringen
liegen, ist unverkennbar.
Dafür stehen diese unmittelbaren Reichsverwaltungen den
Behörden der Landesverwaltung, vor Allem den Justizbehörden
ihrerseits wieder in eigenthümlich ungünstiger Lage gegenüber.
Die Gerichte rekrutiren sich jetzt mehr und mehr aus den Landes-
eingeborenen. Das ist eine gesunde Entwicklung und soll so
sein. Ein kräftiger Partikularismus kommt auf, der auch die
alteingewanderten Richter schon ergreift. Die Neigung, diesen
fremden Reichsbehörden gegenüber dem örtlichen Interesse zu
helfen und die gerichtliche Zuständigkeit zu diesem Zwecke
möglichst auszudehnen, wird immer stärker sich geltend machen.
Die Reichsbehörden werden eines ausgiebigen Schutzes der Zu-
ständigkeitsgrenzen immer bedürftiger werden. Die allgemeinen
Gründe, welche für die Nothwendigkeit eines geordneten Kom-
petenzkonfliktsverfahrens sprechen — wir haben sie. oben am
Faden unseres Rechtsfalles erörtert — kommen unter diesen
besonderen Verhältnissen mit verdoppelter Kraft zur Geltung.
Hier stossen wir nun auf eine ganz merkwürdige Schwierig-
keit: gerade für diese Verhältnisse ist nach dem gegenwärtigen
Stande der Reichgesetzgebung die Einrichtung eines Kompetenz-
konfliktsverfahrens gar nicht möglich. Das Gerichtsverfassungs-
gesetz hat die Einführung eines solchen nur gestatten wollen zu
Gunsten der Landesverwaltung, nicht zu Gunsten der Reichs-
verwaltung®®, Für diese gilt also schlechthin: die Gerichte ent-
scheiden über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
#° NanBYL in v. Stengel's Wörterbuch des Verwaltungsrechts Bd. I
S. 810. In den Kommissionsverhandlungen zum Gerichtsverfassungsgesetz
hat man die Frage zum Theil ganz falsch verstanden. Man kam immer
wieder darauf zurück, dass der Kompetenzkonflikt ausgeschlossen sein soll,
„soweit das Reichsrecht in Frage komme“ (Hann, Materialien zum Gerichts-
verfassungsgesetz Bd. 19.682 ff.). Es handelt sich aber nicht um Reichsrecht
und Landesrecht, sondern um Reichsverwaltungsbehörden und Landesverwal-
tungsbehörden; für die ersteren wollte man keinen Kompetenzkonflikt zulassen.