Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Bedeutung. Sucht er doch, in der Beziehung, in welcher er 
entstanden ist und gebraucht wird, betrachtet, die Oeffentlichkeit 
der Verhandlungen gesetzgebender Körperschaften grundsätzlich 
festzulegen und schafft damit eine Richtschnur für die den par- 
lamentarischen Geschäftsgang regelnden Normen des konstitu- 
tionellen Staates: eine wesentliche Aufgabe dieser Normen soll 
es sein, für die Aufrechterhaltung der Kontinuität zwischen den 
politisch Vertretenen und den politischen Vertretern insofern zu 
sorgen, als die Abgeordneten (im weitesten Sinne verstanden) 
beständig im Angesichte der Oeffentlichkeit, die zu repräsentiren 
sie berufen sind, ihre Funktionen ausüben. 
Bei der Regelung dieser Verhältnisse ist das deutsche 
Reichsrecht, wie in vielem Anderen, eigenartig vorgegangen. 
Wie auf der einen Seite für das Vertretungsorgan der Mitglieder 
des Reiches, den Bundesrath, die absolute Geheimhaltung der 
mündlichen Verhandlungen in $ 26 Gesch.-O. angeordnet ist, 
so setzt auf der anderen Seite die Reichsverfassung in Art. 22 
— und zwar im Gegensatz zu den meisten Landesverfassungen? — 
die unbedingte Oeffentlichkeit der Verhandlungen des Vertretungs- 
körpers des Volkes, des Reichstages, fest. 
Diese Festsetzung bildet den Gegenstand der folgenden 
Darstellung. 
1I. 
In der Sitzung des Reichstages vom 17. März 1900 wurde von 
den Abgeordneten Heine und Genossen der Antrag eingebracht: 
„Der Reichstag wolle beschliessen: Bei Berathung des 
Antrages Heine und Genossen — auf No. 664 der Druck- 
sachen? — die Oeffentlichkeit auszuschliessen“ ®. 
2 S. unten 8. 551 Anm, 6. 
® Dieser Antrag lautet: 
„Der Reichstag wolle beschliessen: 
Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich erhält folgenden $ 327: 
Wer die Gesundheit einer Person dadurch gefährdet, dass er, wissend, 
dass er mit einer ansteckenden Geschlechtskrankheit behaftet ist, den Bei-
	        
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