Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

— 550 ° — 
Auf Grund dieses Antrages wurde eine geheime Plenar- 
sitzung des Reichstages anberaumt, deren Tagesordnung lautete: 
„Berathung des Antrages der Abgeordneten Heine und 
Genossen — No. 673 der Drucksachen — auf Zusammentritt 
des Reichstages zu einer geheimen Sitzung. Gemässheit des 
& 36 der Geschäftsordnung.“ 
In der darauf stattgehabten geheimen Plenarsitzung wurde 
der Antrag No. 673 der Drucksachen angenommen, dagegen der 
Antrag No. 664 der Drucksachen nach ausführlicher Berathung 
in namentlicher Abstimmung abgelehnt. 
Es war dies der erste Fall einer nichtöffentlichen Sitzung 
des deutschen Reichstages; ein Vorgang findet sich in den Druck- 
sachen nicht’. Eine prinzipielle Erörterung aber wird gerecht- 
fertigt nicht bloss durch die spezielle Anwendung des 8 36 Gesch.-O, 
des Reichstages, sondern auch durch das Bestehen jener Be- 
stimmung überhaupt; es handelt sich um die Untersuchung der 
beiden Fragen: 
1. Sind geheime Sitzungen des Reichstages zulässig? 
2. Welche Bedeutung kommt ihnen und insbesondere den 
in ihnen gefassten Beschlüssen zu? 
schlaf ausübt, wird mit Gefängniss bis zu einem Jahre oder mit Geld- 
strafe bis zu eintausend Mark bestraft.“ 
* No. 673 der Drucksachen. 
5 In der Tagespresse wurde mehrfach die Behauptung aufgestellt, 
dass bereits im Jahre 1871 bei der Berathung der Vorlage wegen Ueber- 
tragung des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund auf das Deutsche 
Reich (bei einem von widernatürlicher Unzucht handelnden Paragraphen) 
der Ausschluss der Oeffentlichkeit für erforderlich gehalten worden sei. — 
Wenn das bedeuten spll, dass die Oeffentlichkeit damals ausgeschlossen 
wurde, so ist das unzutreffend, wenigstens ergiebt es sich aus den Ma- 
terialien des Reichstages nicht. Wenn damit die subjektive Ansicht ein- 
zelner oder vieler Reichstagsmitglieder mitgetheilt sein soll, so lässt sich 
solch interner Vorgang nicht feststellen, wie er im Uebrigen auch rechtlich 
ganz irrelevant ist.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.