Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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spreche, so erkläre sie implicite auch Verhandlungen in geheimen 
Sitzungen für rechtlich möglich und zulässig. — Doch auch diese 
Beweisführung täuscht. Zunächst zwingt der Wortlaut des Abs. 2 
nicht zu dem von den Gegnern gezogenen Schlusse. Sodann 
aber wird eine natürliche, nicht willkürliche Auffassung den Ge- 
gensatz zu den öffentlichen Sitzungen des Reichstages in den 
geheimen seiner Kommissionen und Abtheilungen finden müssen !, 
Denn dass diese nichtöffentlich berathen, ist durch die Verfassung, 
welche in Art. 22 nur vom Reichstage als Ganzem (Plenum) 
spricht, keineswegs ausgeschlossen und, weil es intra legem in 
der Geschäftsordnung festgesetzt ist, zulässig'”. Schon hiernach 
lässt Abs. 2 Art. 22 keine Ausnahme von der Oeffentlichkeit 
der Plenarverhandlungen des Reichstages zu. Es liegt aber über- 
haupt nahe, seine Ausdrucksweise auf ein Redaktionsversehen 
zurückzuführen, weil die genannte Bestimmung dem 8 38 des 
preussischen Gesetzes vom 12. Mai.1851 (Pressgesetz) entnommen 
ist, das preussische Recht aber in seiner Verfassung!? neben den 
öffentlichen geheime Sitzungen beider Kammern ausdrücklich 
zulässt !*. 
Noch mehr, wenn nur die grundsätzliche Bestimmung über 
die Oeffentlichkeit der Verhandlungen, nicht aber die Ausnahme- 
vorschrift über die eventuelle Nichtöffentlichkeit der Sitzungen 
aus der preussischen Verfassung in die des Reiches übernommen 
wurde, so legt dies — argumentum a contrario — den Schluss 
nahe, es sollten im Reiche geheime Parlamentsverhandlungen 
überhaupt ausgeschlossen sein. 
11 Vgl. hierzu v. SEYDEL, Der deutsche Reichstag a. a. O. S. 417. 
2 Dass die „Kommissionen“ juristisch im Gegensatze zum „Reichstage“, 
stehen, zeigt auch die Ausdrucksweise des $ 27 Abs. 5 GeschO.: „Eine 
Ausschliessung der Oeffentlichkeit der Kommissionsverhandlungen für die 
Nichtmitglieder dee Kommissionen kann nur der Reichstag be- 
schliessen.“ MöorrLer, Geheime Reichstagssitzungen (1900) 8. 6. 
13 Art. 79, s. oben S. 551 Anm. 6. 
14 Vgl. Lapann a. a. O. Bd. I S. 306£.; v. SEYDEL a. a. O. 8. 417.
	        
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