Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Dieser — man darf sagen — allgemein anerkannte Grund- 
satz ist speziell in seiner Anwendbarkeit auf $& 36 Gesch.-O. für 
den Reichstag bestritten worden: 
Thuupicaum°®! meint, dass & 36 a. a. O. desshalb zu Recht 
bestehe, weil der Bundesrath seiner Aufstellung nicht wider- 
sprochen habe. Darauf sei erwidert, dass der Bundesrath gar 
nicht in der Lage war, sich mit Rechtswirksamkeit zu 8 36 
Gesch.-O. zu äussern bezw. zu widersprechen; denn es han- 
delte sich lediglich um eine interne Frage des Reichstages, der 
gemäss Art. 27 Satz 2 R.-V. seinen Geschäftsgang selbständig 
zu regeln berufen ist. Wollte man selbst dem Stillschweigen des 
Bundesrathes eine Zustimmung entnehmen, so käme dennoch dem 
8 36 Satz 2 a. a. O. desshalb keine Rechtskraft zu, weil ein 
staatsrechtlicher Beschluss, wie ihn die Reichsverfassung in Art. 5 
u. 7 für die Gesetzgebung erfordert, nicht stillschweigend gefasst 
werden kann?” — Der Bundesrath und sodann der Kaiser sind 
rechtlich erst dann in der Lage, zu der fraglichen Bestimmung 
Stellung zu nehmen, wenn der Reichstag auf Grund derselben 
einen Beschluss gefasst hat, da sie — der Bundesrath, soweit der 
Reichstag, der Kaiser, soweit sowohl Reichstag als Bundesrath in 
Betracht kommen — berechtigt und verpflichtet sind, die ver- 
fassungsmässige Entstehung der Beschlüsse der gesetzgebenden 
Faktoren zu prüfen ®®. 
Auch kann meines Erachtens davon keine Rede sein, dass 
8 36 Satz 2 Gesch.-O. auf Grund eines der Verfassung dero- 
girenden Gewohnheitsrechts zu Recht bestehe®*, — Denn, wenn 
es selbst zutrifft, dass auch Gesetze, welche Fragen des öffent- 
21 Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zoll- 
vereins (1870) S. 192. S. auch Avergach, Das neue Deutsche Reich und 
seine Verfassung S. 113. — Gegen Taupıchum, MEYER a. a. O. 8. 409°, 
#2 Vgl. auch MÜLLER a. a. OÖ. S. 10. 
2° TJebereinstimmend MüLLER a. a. O. S. 10. 
24 Diese Ansicht ist angedeutet in der „Kölnischen Volkszeitung“ vom 
20. März 1900 (No. 266).
	        
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