Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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oder doch dem Deutschen die Beiordnung eines Rechtsanwalts 
verweigern, während eine derartige Beiordnung für Einheimische 
eine Wirkung des ertheilten Armenrechts ist. Ebenso kann ein 
auswärtiger Staat die Bestimmung treffen, dass ein Deutscher 
das Armenrechtsgesuch nicht wie der Inländer auch auf schrift- 
lichem Wege bei dem von seinem Wohnsitze oder Aufenthalts- 
orte vielleicht weit entfernten Prozessgerichte anbringen darf, 
sondern dass derselbe seinen Antrag persönlich zu Protokoll der 
Gerichtsschreiberei erklären muss. Ein Prozessgesetz, welches für 
die Ausländer besondere Vorschriften erlässt, darf nicht bloss 
die zur Zeit seiner Verkündung bestehenden Verhältnisse in’s Auge 
fassen, sondern muss auch damit rechnen, dass die jeweilige 
Gesetzgebung der Auslandsstaaten eine Aenderung erfahren kann. 
Auch muss die Gesetzesauslegung diesen Gesichtspunkt in’s Auge 
fassen. Mit Rücksicht hierauf ist anzunehmen, dass die für den 
Begriff der Gegenseitigkeit zu erfordernde Gleichstellung nicht auf 
die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eingeschränkt ist, sondern 
alle Beziehungen umfasst®. Geringfügige Erschwerungen, wel- 
che für den Deutschen einen besonderen Aufwand an Zeit oder 
Kosten nicht verursachen, sind nicht weiter in Berücksichtigung 
zu ziehen; der Maassstab der Relativität ist auch hier nicht zu 
entbehren, gleichwie dies bei dem für die Vollstreckung aus- 
ländischer Entscheidungen bestehenden Erfordernisse der ver- 
bürgten Gegenseitigkeit der Fall ist?., 
Nach alledem ist die — von der Gegenseitigkeit gemäss 
8 Mit gutem Grunde folgern Wırmowskı-Levy in ihrem Komn. zur 
Civ.-Pr.-O. 7. Aufl. BdrI 8. 202, dass die Gegenseitigkeit nicht gegeben sei, 
wenn der Deutsche hinsichtlich des Umfangs und der Bedingungen des Armen- 
rechts im Auslande gegenüber den Einheimischen zurückgesetzt werde. Sie 
hätten sich nur in noch umfassenderer Weise ausdrücken sollen. 
® Kıem, Das Erforderniss der verbürgten Gegenseitigkeit bei Voll- 
streckung ausländischer Urtheile in Deutschland in Bönm’s Zeitschrift für 
internationales Privat- und Strafrecht Bd. 9 S. 226ff. (Auch im Separat- 
abdruck erschienen, Leipzig, Duncker & Humblot, 1899 8. 23 ff.)
	        
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