— 611 —
8. 370ff. veröffentlichte. Hier wird das nun alles breiter ausgeführt und
mit reichem Material belegt. Der erste Theil gibt Geschichte der Quellen
und Literatur der reformirten Verfassungslehre. Wir begleiten hier die refor-
mirte Kirche bei ihrer Verbreitung über zwei Welttheile, betrachten die be-
sonderen Bedingungen, unter welchen ihre Verfassung in den einzelnen Län-
dern sich gestaltet und entwickelt, und sehen, wie demnach die einheitliche
Idee sich verschieden ausprägt. Dass schon diese Zusammenstellung ein
äusserst anziehendes und lehrreiches Bild von der zu schildernden grossen
Erscheinung geworden ist, liefert wieder einen Beweis für die hervorragende
Darstellungskraft des Verf.
Der zweite, umfangreichere Theil behandelt das eigentliche Thema. Es
ist ein äusserst dankbares Unternehmen, die Eigenart einer Kirchenverfassung
nicht bloss an den äusseren juristischen Formen zu suchen, die sie darbietet,
sondern sie abzuleiten aus den unjuristischen, religiösen oder theologischen
Ideen, welche dahinter stehen. Solche Anknüpfung wird ja wohl nie ganz
unterlassen, aber die Gründlichkeit und die Tiefe, mit welcher es hier ge-
schieht, ist eine rühmliche Besonderheit. Der „reformirte Kirchenbegriff“
wird vorangestell. Aus ihm entfaltet sich dann alles Uebrige. Mit dem
lutherischen Kirchenbegriff hat sich der Verf. schon früher ausführlich be-
schäftigt und mit den Folgerungen, die sich aus ihm ergeben. Indem er
diesen jenem gegenüberhält, erläutert er auf Schritt und Tritt seinen jetzigen
Gegenstand. Reformirte und lutherische Kirchenverfassungsideen unterliegen
beide schliesslich weltlichen Strömungen. Machen sie aus der lutherischen
Kirche ein Stück des Polizeistaates, so münden die reformirten Verfassungs-
einrichtungen in die modernen demokratischen Ideen und in den Grundsatz
der Trennung von Staat und Kirche. Die presbyterialen und synodalen Ele-
mente, welche die Neuzeit in die lutherischen Kirchenverfassungen eingefügt
hat, entsprechen keineswegs den ursprünglichen reformirten Einrichtungen.
Es sind Zugeständnisse an die auf dem Boden der weltlichen Gemeinwesen
mächtig gewordenen Tendenzen der Demokratie und der Selbstverwaltung.
Wenn sonst vielfach die Neigung besteht, die konfessionellen Gegen-
sätze zu verwischen und das Gemeinsame zu betonen, so wird hier das
Unterscheidende kräftig zur Geltung gebracht. Jedenfalls ist das echte
Rechtswissenschatt; klare, scharfe Unterscheidungen sind ihre Aufgabe. Den
höheren gemeinsamen Zielen wird dadurch nicht geschadet.
Es ist wieder eine höchst erfreuliche Leistung, welche der Verf. uns
hier geliefert hat. O0. M.
Max von Oettingen, Abriss des russischen Staatsrechts. Berlin,
Georg Reimer, 1899. 167 S.
Das kleine Buch ist, wie es in der Vorrede bekennt, dem „juristischen
Laien“ gewidmet. In diesem Sinne mag es denn auch seinen Platz bean-