Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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8. 370ff. veröffentlichte. Hier wird das nun alles breiter ausgeführt und 
mit reichem Material belegt. Der erste Theil gibt Geschichte der Quellen 
und Literatur der reformirten Verfassungslehre. Wir begleiten hier die refor- 
mirte Kirche bei ihrer Verbreitung über zwei Welttheile, betrachten die be- 
sonderen Bedingungen, unter welchen ihre Verfassung in den einzelnen Län- 
dern sich gestaltet und entwickelt, und sehen, wie demnach die einheitliche 
Idee sich verschieden ausprägt. Dass schon diese Zusammenstellung ein 
äusserst anziehendes und lehrreiches Bild von der zu schildernden grossen 
Erscheinung geworden ist, liefert wieder einen Beweis für die hervorragende 
Darstellungskraft des Verf. 
Der zweite, umfangreichere Theil behandelt das eigentliche Thema. Es 
ist ein äusserst dankbares Unternehmen, die Eigenart einer Kirchenverfassung 
nicht bloss an den äusseren juristischen Formen zu suchen, die sie darbietet, 
sondern sie abzuleiten aus den unjuristischen, religiösen oder theologischen 
Ideen, welche dahinter stehen. Solche Anknüpfung wird ja wohl nie ganz 
unterlassen, aber die Gründlichkeit und die Tiefe, mit welcher es hier ge- 
schieht, ist eine rühmliche Besonderheit. Der „reformirte Kirchenbegriff“ 
wird vorangestell. Aus ihm entfaltet sich dann alles Uebrige. Mit dem 
lutherischen Kirchenbegriff hat sich der Verf. schon früher ausführlich be- 
schäftigt und mit den Folgerungen, die sich aus ihm ergeben. Indem er 
diesen jenem gegenüberhält, erläutert er auf Schritt und Tritt seinen jetzigen 
Gegenstand. Reformirte und lutherische Kirchenverfassungsideen unterliegen 
beide schliesslich weltlichen Strömungen. Machen sie aus der lutherischen 
Kirche ein Stück des Polizeistaates, so münden die reformirten Verfassungs- 
einrichtungen in die modernen demokratischen Ideen und in den Grundsatz 
der Trennung von Staat und Kirche. Die presbyterialen und synodalen Ele- 
mente, welche die Neuzeit in die lutherischen Kirchenverfassungen eingefügt 
hat, entsprechen keineswegs den ursprünglichen reformirten Einrichtungen. 
Es sind Zugeständnisse an die auf dem Boden der weltlichen Gemeinwesen 
mächtig gewordenen Tendenzen der Demokratie und der Selbstverwaltung. 
Wenn sonst vielfach die Neigung besteht, die konfessionellen Gegen- 
sätze zu verwischen und das Gemeinsame zu betonen, so wird hier das 
Unterscheidende kräftig zur Geltung gebracht. Jedenfalls ist das echte 
Rechtswissenschatt; klare, scharfe Unterscheidungen sind ihre Aufgabe. Den 
höheren gemeinsamen Zielen wird dadurch nicht geschadet. 
Es ist wieder eine höchst erfreuliche Leistung, welche der Verf. uns 
hier geliefert hat. O0. M. 
Max von Oettingen, Abriss des russischen Staatsrechts. Berlin, 
Georg Reimer, 1899. 167 S. 
Das kleine Buch ist, wie es in der Vorrede bekennt, dem „juristischen 
Laien“ gewidmet. In diesem Sinne mag es denn auch seinen Platz bean-
	        
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