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grundsätzlich nicht mehr von den Landtagen, sondern nach Massgabe der
Reichsratswahlordnung gleichen Datums von den Mitgliedern der in den
Landesordnungen enthaltenen Landtagswahlberechtigtenklassen zu wählen
seien. Eine neue Verfassungsreform fand im Gesetz vom 14. Juni 1896 ihren
Ausdruck, indem die Zahl der Abgeordneten erhöht und ferner zu den nach
Interessengruppen gebildeten Klassen eine „allgemeine Wählerklasse“ hinzu-
gefügt wurde, für die im Gegensatz zu den übrigen das allgemeine Wahl-
recht besteht. Die Wahlberechtigung in der allgemeinen Wählerklasse kann
im allgemeinen als Voraussetzung für die Wahlberechtigung in den anderen
Klassen angesehen werden, sodass die Angehörigen der letzteren in der
Regel ein doppeltes Stimmrecht haben, nämlich ausser dem in der allgemeinen
Wählerklasse noch eines in einer der nach Interessengruppen gegliederten
vier Klassen des grossen Grundbesitzes, der Handels- und Gewerbekammern,
der Städte und der Landgemeinden. In der Klasse der Städte unterscheidet
der Verf. zwei Gruppen von Reichsratswahlberechtigten: I. Alle jene Ge-
meindemitglieder, die eine Jahresschuld an direkten landesfürstlichen Steuern
von vier Gulden zu entrichten haben, II. diejenigen Personen, die, ohne
den unter I. ausgesprochenen Bedingungen zu entsprechen, dennoch in der
Klasse der Städte reichsratswahlberechtigt sind, weil sie in derselben Klasse
landtagswahlberechtigt sind. — In der Klasse der Landgemeinden unter-
scheidet der Verf. dieselben zwei Gruppen. — Im Kapitel (XIV) über die
Ausübung des Wahlrechts trennt der Verf. klar und scharf die Erteilung
der Vollmacht von der der Erlaubnis zur Ausübung des Wahlrechts. Im
ersten Fall kann der Vertreter das Wahlrecht eines anderen, des Vollmacht-
gebers, ausüben; im zweiten kann der Wahlberechtigte sein eigenes Wahl-
recht ausüben, aber nur auf Grund der Zustimmung anderer Wahlberechtigter.
Dies trifft zu, wenn sich das Gut im Miteigentum mehrerer Wahlberechtigter
befindet. Jedem kommt hier das Wahlrecht ganz und ungeteilt zu, aus-
geübt kann es jedoch nur werden durch einen der wahlberechtigten Mit-
eigentümer. Erforderlich ist deshalb zur Ausübung des Wahlrechts seitens
eines Miteigentümers die einhellige Zustimmung aller anderen; solange sich
diese nicht erzielen lässt, ruht deshalb das Wahlrecht für jeden wahlberech-
tigten Miteigentümer. — Da in den im Reichsrat vertretenen Königreichen
und Ländern die Neuwahlen nicht an einem und demselben Tage vor-
genommen werden, sondern länderweise ausgeschrieben nach einer hinsicht-
lich der Wahlklassen gesetzlich genau bestimmten Reihenfolge länderweise
erfolgen, ergeben sich für die Berechnung der Wahlperiode zwei Möglich-
keiten: als Anfangstermin entweder den Tag zu betrachten, an dem unter
sämtlichen Neuwahlen die erste, oder den, an welchem die letzte stattfindet.
Die Annahme des letzten Wahltages widerspricht dem Grundsatz, dass die
Wahlperiode für das ganze Abgeordnetenhaus einheitlich ist; es würde nicht
ein totales, sondern ein partielles Ausscheiden infolge Ablaufs der Zeit ein-
treten. Der Verf. entscheidet sich deshalb jedenfalls mit Recht für den